Das SchwuZ: In 30 Jahren vom Alternativ-Verein zum Party-Dienstleister

„Das ist doch Etikettenschwindel“, sagt Chouchou de Briquette, „man kann nicht 30 Jahre SchwuZ feiern, weil es das SchwuZ nicht mehr gibt.“ Die bekennende Trümmertunte organisierte viele Jahre Kulturprogramme im Schwulenzentrum und bot mit der LiedStrich-Reihe Auftrittsmöglichkeiten „für junge, hoffnungslose Talente“, von denen es einige später zu erklecklichen Erfolgen bringen sollten, so etwa das Duo Rosenstolz, Cora Frost oder Rainer Bielfeld. Für de Briquette und manch ehemaligen Stammgast hat die kommerziell orientierte SchwuZ-GmbH von heute nichts mehr mit dem rührigen Verein der Anfangsjahre zu tun. Tatsächlich hat sich das SchwuZ etabliert so wie auch andere Gruppen, die aus der Protestbewegung der 70er Jahre hervorgegangen sind und inzwischen zum Establishment gehören. An der Gründung des SchwuZ-Vorläufers ist der schwule Filmemacher Rosa von Praunheim beteiligt: Sein Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ sorgt Anfang der 70er Jahre bundesweit für Aufsehen und rüttelt auch die Berliner Schwulenszene wach. Nach einer Vorstellung im Arsenal wird hitzig darüber diskutiert, wie sich die Lebensumstände für Homosexuelle verbessern lassen. Es bildet sich eine Gruppe, die sich nach vielem hin und her den Namen „Homosexuelle Aktion Westberlin“ gibt. Die ersten Treffen finden in der Dennewitzstraße 33 statt, in der auch Praunheim sein Atelier hat. Als das Haus abgerissen wird, um für die geplante Westtangente Platz zu schaffen, verlegt der Debattierklub seinen Sitz in die Kulmer Straße 20a. Als sich die HAW immer mehr zerstreitet und schließlich auflöst, wird 1977 ein Verein gegründet, um die Räume auch weiterhin „als Schwulenzentrum“ – wie es damals in einem Flugblatt heißt – nutzen zu können. Die Abkürzung des neuen Namens prägt sich ein und so heißt der Ort von nun an SchwuZ. Das SchwuZ wird zum Angelpunkt vieler Szene-Initiativen, die sich damals nicht in Kneipen treffen können, vom AIDS-Aktions-Komitee bis zur schwulen Schülergruppe. Es ist auch Geburtsstätte des schwulen Buchladens „Prinz Eisenherz“, des Verlags „Rosa Winkel“ und des Magazins „Siegessäule“. Samstags heißt es „Offener Abend“, der Eintritt ist frei, irgendeiner bringt seinen Plattenspieler mit, ein anderer ein paar Scheiben und billiges Bier der Marke „Herrenpils“ wird gegen Spende ausgegeben. Die Einrichtung ist plüschig und abgerantzt wie in einem städtischen Jugendklub: Bunte Stoffbahnen unterteilen den Raum, damit er am frühen Abend nicht so leer wirkt, in einer Ecke sind alte Matratzen aufgestapelt, in einer anderen steht ein Hochbett, auf dem schnauzbärtige Männer lümmeln. Ob Punk oder Lederschwester, ob alt oder jung, alle kommen wenigstens einmal am Samstagabend im SchwuZ vorbei, es ist nie ein Laden nur für eine bestimmte Szene, sondern offen für alle. Mit den Einnahmen vom Catering für den Christopher Street Day wird der Bau einer Bühne bezahlt. Auf ihr produziert das Ensemble Ladies Neid gesellschaftskritische Tuntenshows von epochaler Länge. In ihnen geht es nicht um die perfekte Imitation des Weiblichen, sondern um die Sabotage der Geschlechtergrenzen. Nur das Treppenhaus ist dem zunehmenden Besucherandrang nicht gewachsen, die Bauaufsicht erlaubt nicht mehr als 99 Gäste, und so muss das SchwuZ im Januar 1987 erneut umziehen, diesmal geht es in die Kreuzberger Hasenheide. Zur Disko kommen jetzt bis zu 600 Partyhungrige, dazwischen immer wieder Kulturprogramm auf Stöckeln: Ronald M. Schernikau inszeniert sein Theaterstück „Die Schönheit“, Cora Frost und Rainer Bielfeld singen, Rosenstolz absolviert seinen allerersten Auftritt, Melitta Sundström thematisiert bei ihren kabarettistischen Shows die eigene AIDS-Erkrankung. Doch die Fabriketage wird verkauft und so muss das SchwuZ im Februar 1995 erneut auf Wanderschaft gehen. Diesmal zieht es an den Mehringdamm 61, in einen Keller mit Sandboden und ohne Wasseranschluss, der ein Jahr lang zum Club mit Bühne, drei Tanzflächen und Bars ausgebaut und zum CSD 1999 eröffnet wird. Auch die Geschäftsgrundlage verändert sich, eine GmbH mit allein entscheidendem Geschäftsführer löst den Verein und dessen offenes Plenum ab, das Etablissement wird auch steuerlich als Gastronomiebetrieb legalisiert. „SchwuZ“ ist heute ein eingetragenes Warenzeichen, dessen Mitarbeiter vom Geschäftsführer bis zum Garderobiere bezahlt werden, das eine eigene Pressestelle und sogar einen Auszubildenden hat. Das SchwuZ ist heute ein gut gemachter, professioneller Club, ein prima Partyort für Lesben und Schwule, jung wie alt. Vielleicht ist es einfach Zeit für einen neuen Namen. Oliver Numrich

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