Jetzt eine Eigentumswohnung kaufen? Interview mit Jörg Sahr (Stiftung Warentest)

Herr Sahr, worauf muss ich achten, wenn ich mir in Berlin eine Eigentumswohnung kaufen will?
Die Lage ist entscheidend. Auch wenn man die Immobilie selbst nutzten will, muss man auf die Wiederverkäuflichkeit achten. Eine Wohnung ohne Balkon, im 4. Stock ohne Aufzug oder auch eine dunkle Erdgeschosswohnung sind schon heute schwer zu vermarkten. Wenn die Wohnung an einer Hauptverkehrsstraße liegt oder in einem Bezirk mit starken sozialen Problemen ist sie zwar billiger, aber möglicherweise auch schwer wieder zu verkaufen.

Aber wenn ich doch selbst darin wohnen will, warum soll ich auf den Wiederverkaufswert achten?
Man weiß ja nicht, wie lange man tatsächlich drin wohnen wird. Man kann immer in die Situation kommen, dass man die Wohnung wieder verkaufen muss.

Viele Leute nervt, dass sie jeden Monat Miete zahlen, die dann weg ist. Stelle ich mich finanziell mit einer Eigentumswohnung nicht immer besser als mit einer Mietwohnung?
Wenn die Eigentumswohnung gut in Schuss ist, in einer halbwegs attraktiven Lage, dann bleibt ihr realer Wert auf lange Sicht ungefähr erhalten und der Geldwert steigt sogar. Aber in Berlin sind in den letzten Jahren die Preise nach einem Aufschwung nach der Wende wieder zurückgegangen. Es gibt also keine Garantie, dass der reale Wert erhalten bleibt.

Ist eine Eigentumswohnung nicht die perfekte Altersvorsorge?
Wohnimmobilien können eine gute Altersvorsorge sein, es kommt aber auf das Verhältnis des Kaufpreises zur Miete an. In Berlin ist das Verhältnis aus Käufersicht im Allgemeinen nicht so günstig: die Mieten sind niedrig, während die Kaufpreise im bundesweiten Vergleich auf höherem Niveau liegen. In anderen Großstädten wie Hamburg oder Frankfurt am Main ist das Verhältnis günstiger, weil dort auch die Mieten höher sind. In Berlin ist es schwer, eine gut ausgestatte Wohnung in halbwegs vernünftiger Lage zu bekommen, wo man weniger als das 20xfache der Jahresmiete zahlt.

Gilt dieser Vergleichsfaktor für jeden potentiellen Käufer gleichermaßen?
Das ist nur eine Hausnummer. Wenn eine Wohnung mehr als das 20fache der Jahresmiete kostet, muss ich überlegen, ob sich der Kauf wirklich lohnt. Das hängt natürlich auch sehr stark von meinen finanziellen Verhältnissen ab. Wenn jemand kein hohes Eigenkapital hat, dann muss er anfangs mehr ausgeben als für eine vergleichbare Mietwohnung. Aber mit zunehmender Tilgung der Kredite und steigenden Mieten kippt das Verhältnis. Spätestens nach der Entschuldung hat man die besseren Karten. Das dauert zehn bis 20 Jahre, bei manchen auch länger.

Wie viel Eigenkapital sollte ich mitbringen?
Die Faustregel in Deutschland ist 20 Prozent Eigenkapital plus Nebenkosten muss man „über haben“. Das ist eine sichere Finanzierungsform, bei der man auch dann mit einem blauen Auge davonkommt, wenn was schief gehen sollte. Wenn man ganz ohne Eigenkapital kauft, riskiert man, dass man bei einem Notverkauf auf einem Schuldenberg sitzen bleibt. Es ist nur dann ratsam, ganz ohne Eigenkapitel zu kaufen, wenn das Einkommen überdurchschnittlich hoch und gesichert ist.

Und wenn man eher wenig verdient und deshalb eben für das Alter vorsorgen will?
Wenn man wenig verdient, sollte man eher nicht kaufen, weil die Belastung anfangs eben höher ist. Das wird man sich mit einem geringen und ungesicherten Einkommen nicht leisten können.

Würde ich als prekär beschäftigter freier Journalist mit schwankendem Einkommen überhaupt einen Kredit bekommen?
Generell sind die Banken zurückhaltend mit der Kreditvergabe an Selbständige oder Leute mit unsicheren Einkünften. Für Sie wird es schwierig, einen Kredit zu bekommen, aber nicht aussichtslos. Wenn Sie ein gutes Einkommen über die letzten drei Jahre nachweisen können, können Sie damit rechnen, von Ihrer Hausbank ein Darlehen zu erhalten, allerdings eher nicht von einer der besonders günstigen Direktbanken. Aber ich gebe zu bedenken: Je unsicher die Einkommensentwicklung ist, desto genauer muss man prüfen, ob man sich hoch verschulen will.

Für wen lohnt es sich definitiv nicht, eine Wohnung in Berlin zu kaufen?
Für diejenigen, die schon lange in ihrer Wohnung sind und noch einen alten Mietvertrag zu günstigen Konditionen haben, für die lohnt es sich eher nicht.

Wie sieht das mit Leuten aus, die beruflich mobil sein müssen?
Immobilien sind eine langfristige Anlage. Für jemanden, der beruflich sehr flexibel sein muss und alle zwei, drei Jahren wieder woanders arbeiten muss, für den ist eine Eigentumswohnung eher ein Klotz am Bein.

Ich kann die Wohnung doch dann vermieten…

Klar man kann vermieten, aber der Mieterlös ist nicht hoch.

Mit welchen Nebenkosten muss ich denn rechnen?
Viele unterschätzen die Nebenkosten, die zum eigentlich Kaufpreis noch dazu kommen. Sie müssen 1,5 Prozent der Gesamtsumme für den Notar, für den Grundbucheintrag und die Grunderwerbssteuer zurzeit noch 3,5 – 5 Prozent und für den Makler in Berlin bis zu 6,96 Prozent rechnen. In anderen Bundesländern ist es häufig so, dass die 6% Maklerprovision plus 16% Mehrwertsteuer zwischen Käufer und Verkäufer geteilt wird. In Berlin allerdings zahlt hauptsächlich nur der Käufer. Dadurch machen die Nebenkosten dann plötzlich 10-12% aus, die weg sind und nicht in Substanz der Immobilie eingehen.

Was muss ich bei der Auswahl des Kaufobjekts noch beachten?
Außerdem muss man sich sämtliche Unterlagen genau angucken, bevor man kauft, etwa die Nebenkostenabrechnungen. Man sollte sich dabei nicht nur auf die Angaben des Maklers verlassen. Denn es ist ein beliebter Trick, mit niedrigen Betriebskosten zu werben und hinterher kommt eine große Nachzahlung. Auch hilfreich ist ein Blick in die Protokolle der Eigentümerversammlung. Da kann man lesen, ob es Streitigkeiten zwischen den Eigentümern gibt. Das Objekt kann noch so schön sein – ziehen sie nie in eine zerstrittene Eigentümergemeinschaft ein! Informieren Sie sich, welche Modernisierungsmaßnahem stattgefunden haben oder  sind geplant. Auch Beschlüsse zur Hausordnung können aus den Protokollen hervorgehen.

Wozu dient eigentlich die Instandhaltungsrücklage?
Bei einer ordnungsgemäßen Verwaltung wird eine Instandhaltungsrücklage gebildet, aus der die Instandhaltung finanziert wird. Wenn die aber zu niedrig angesetzt wurde und keine Rücklage vorhanden ist, kann es sein, dass sie kurz nach dem Einstieg für eine Sonderumlage bezahlen müssen, zum Beispiel für die Sanierung der Fassade oder der Heizung.

Ist der Kauf eines Altbaus mit besonderen Risiken behaftet?
Bei einem Altbau sollte unbedingt ein Fachmann, ein Architekt oder Bauingenieur zur Besichtigung mitkommen, der den Modernisierungsbedarf einschätzen kann: Wie ist die Bausubstanz? Gibt es Anzeichen für Feuchtigkeit oder Schimmel? Als Laie kann man das nicht beurteilen.

Aber worin bestehen denn dann die Vorteile einer Eigentumswohnung?
Eine eigene Wohnung hat auch Vorteile, die man nicht in Geld ausrechnen kann. Zum Beispiel die Sicherheit vor Mieterhöhungen oder einer Eigenbedarfsklage durch den Vermieter.

Wie wohnen Sie eigentlich als Experte?
Ich bin einer von denen mit einem uralten Mietvertrag. Deshalb lohnt es sich für mich nicht, eine Eigentumswohnung zu kaufen.

Tipp
Stiftung Finanztest bietet im Internet ein Excel-Formular zum kostenlosen Download an, mit dem jeder leicht ausrechnen kann, ob sich der Kauf einer Eigentumswohnung für ihn lohnt: http://www.finanztest.de/rechner

4 Kommentare

  1. Hallo Verwalterschreck,
    es freut mich, dass Sie die Fotos an den Urlaub erinnert haben. Ich war auch gerae da und fand es wiederum sehr schön – meine Eltern leben noch auf Langeoog. Auch wenn es zu dieser Zeit mal regnet oder stürmt, entschädigen doch die Natur und die umso größere Gemütlichkeit drinnen dafür.
    Beste Grüße zurück
    Oliver Numrich

  2. Hallo, das gehört zwar nicht unter die Rubrik Eigentumswohnungen, aber ich habe soeben die Fotos eingestellt bei flickr bewundert. Wir sind heute vor zwei Wochen aus Neuharlingersiel zurückgekommen und haben auch schon etliche Male Urlaub auf Langeoog gemacht. Die Nordsee zieht uns immer wieder an. Dort kann man auch so herrlich den Verwalter und die Heuschrecke vergessen.
    Herzliche Grüße aus dem Südwesten

  3. Wir haben unsere ETW auch vor 24 Jahren zum selbst bewohnen und als Altersvorsorge gekauft (Miete entfällt).
    Jetzt haben wir nur noch Ärger. Seit 4 Jahren eine neue Verwaltung, die nur tut was sie will. Einen neuen Mehrheitseigentümer seit 5 Jahren (Heuschrecke-Immobilienhai aus GB). Verwaltung arbeitet inzwischen mit dem Mehrheitseigentümer zusammen – der Rest der Eigentümer ist ihr egal. Wie das Objekt so langsam aber sicher zu Grunde geht bzw. zum sozialen Brennpunkt wird, egal.
    Vor Amtsgericht keine Chancen, da der Verwalter (Beispiel Akteneinsicht) kurz vor dem ersten Gerichtstermin einlenkt. Was sagt dann die Richterin: Ich weiß gar nicht was sie wollen?
    Wie hat Dieter Hildebrandt einmal gesagt: Es hilft nichts das Recht auf seiner Seite zu haben. Man muss auch mit der Justiz rechnen.
    Etwa die Hälfte der Einzeleigentümer versucht immer wieder, etwas zum Besseren zu bewegen. Allerdings laufen wir alle zusammen immer wieder an eine Wand.
    Also Augen auf beim Eigentumswohnungs-Kauf.
    Wer ist Verwalter.
    Wie sind die Eigentumsverhältnisse.

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