Schwule Vereine: Von Kicker bis Pufferküsser

„Sport ist im Homo-Verein am schönsten“, findet Grit, 35, Tischtennisspielerin und schon im dritten Jahr im Vorstand von „Vorspiel“. „Vorspiel“ ist der Berliner Sportverein für Lesben und Schwule, mit rund 1.100 Mitgliedern eine der größten Berliner Lesben- und Schwulenvereinigungen. „Ich finde es halt angenehmer, mit Gleichgesinnten meine Freizeit zu gestalten, ohne mich in irgendeiner Art und Weise verrenken oder erklären zu müssen“, sagt die Wirtschaftsingenieurin. Zur Zeit belegt ihre Tischtennis-Gruppe in der ersten Berliner Kreisliga den 5. Platz, Mittelfeld. „Wir wollen Herausforderung und uns mit anderen messen. Schließlich spielen wir nicht Bällchen über die Schnur.“ Und wie funktioniert das gemeinsame Vorspiel von Lesben und Schwulen? „Es gab schon Männer, die sagten, von einer Frau lasse ich mich nicht trainieren. Aber ob ich mit jemandem gut klar komme, hängt nicht vom Geschlecht ab.“ Vier bis fünf Stunden opfert sie jede Woche für die Vereinsarbeit. Trotz Bürokratie hält Grit einen eingetragenen Verein für sinnvoll – denn nur so ließen sich die Interessen der verschiedenen Sparten unter einen Hut bringen. Und: „Und um so größer ein Verein ist, um so besser sei seine Verhandlungsposition bei der Beantragung von Hallenzeiten.“

Von Vereinsmeierei hält man bei Lokruf nichts. Der schwule Freundeskreis von Eisenbahntechnik und -geschichte, Straßen- und Modellbahn legt wert auf Lockerheit: „Wir sind keine Pufferküsser“, sagt der 75-jährige Gaston, „keine kleinkarierten Bahnexperten, die über Spurweiten streiten.“ Der ehemalige Theatermann aus Pankow wurde wegen der Bahnliebhaberei schon Opfer der Stasi. Denn noch vor dem Fall der Mauer traf er sich mit Homos, Bi- und toleranten Heterosexuellen zum Austausch über Schienenverkehr in einer konspirativen Wohnung. „Alles was nicht von SED oder FDJ organisiert war, war denen suspekt“, sagt Gaston. Auch wegen dieser Erfahrungen ist heute alles so wie am runden Tisch: keine feste Mitgliedschaft, kein Vorsitzender, jeder kann sofort mitmachen „vom Müllkutscher bis zum Professor“. Jeden 4. Donnerstag im Monat treffen sich bis zu zehn Eisenbahnfreunde im Sonntagsclub in Prenzlauer Berg, am zweiten Samstag des Monats machen sie Ausflüge etwa zur Harzer Schmalspurbahn oder der Museumseinsenbahn in Buckow.

Etwas verbindlicher geht es bei den Hertha-Junxx zu: Der Fanklub ist offiziell von Hertha BSC anerkannt – eben für die anders gepolten Herthianer. Seit seiner Gründung im Sommer 2001 ist der Klub auf 51 Mitglieder angewachsen, sogar in Freiburg, Köln und Straßburg leben Anhänger; und Grünen-Politikerin Claudia Roth ist Ehrenmitglied. Gerd ist seit dem 7. Lebensjahr Hertha-Fan: „Früher bin ich mit Vattern zu den Spielen gegangen, aber dann ist das Schwulsein dazwischen gekommen.“ Als er von den Hertha-Junxx im Radio erfuhr, wurde er gleich Mitglied. Mittlerweile ist der 36-jährige Polizist stolzer Inhaber einer Dauerkarte und Vorsitzender des lesbi-schwulen Fanklubs. „Jetzt geh ich zu jedem Spiel, auch zu Auswärtsspielen. Mit Gleichgesinnten hat es einfach mehr Flair.“ Das bunte Fan-Grüppchen hat samt 2,50m x 1,50m großen Regenbogenfahne mit Hertha-Logo seinen festen Platz im „konservativen“ Block. „Die Mutter-Vater-Kind-Familien haben uns voll akzeptiert. Und wenn Tore fallen, dann wird mit denen abgeklatscht.“ Auf dem lesbisch-schwulen Motzstraßenfest wollen die Hertha-Junxx mit einem eigenen Fanmobil neue Mitglieder werben, denn in der Klubkasse sieht es mau aus. Und natürlich kicken die Junxx auch selbst Fußball wie Beckham: Sonntagsnachmittags im Tiergarten. Treffen ist um 15:00 Uhr an der Löwenbrücke.

„Ähm, das Banker besonders langweilig sind, kann ich so pauschal eigentlich nicht sagen“, erklärt Bankkaufmann Enrico, 32, von den Gay Bankern, einer Vereinigung von Finanzdienstleistern. Die Berliner Gruppe trifft sich jeden zweiten Mittwoch im Monat an wechselnden Orten wie Victoria-Bar oder dem „Nö“ in Glinkastraße in Mitte. Zu jedem Treffen kommen zwischen zehn und 15 Mitarbeiter von Sparkassen, Genossenschafts- oder Privatbanken (Direktoren sind nicht darunter) und überregionalen Finanzdienstleistern, um sich über ihr Arbeitsumfeld, Diskontsätze, Umstrukturierungen und andere spannende Themen auszutauschen. Flirten sei zwar nicht verboten, aber nicht das Ziel. „Wir wollen einfach mit netten Leuten zusammen zu kommen“, so Berater Enrico. Entsprechend ist aus dem Netzwerk auch noch keine Banker-Homoehe hervorgegangen.

Bei den Queer-Springern geht es um Schach für Schwule und Lesben. Wettkampfschach, denn immerhin belegt die 30-köpfige Homo-Truppe (davon 5 weiblich) die zweite Klasse und ist damit auf bestem Weg in die Landesliga. Um überhaupt an den Berliner Meisterschaften teilnehmen zu können, wurde 2002 ein Verein gegründet. Mitgliedschaft ist für 4,50 Euro (ermäßig 3,00 Euro) zu haben, Vorsitzende ist die HU-Studentin Beate, 26. Seit ihrem 6. Lebensjahr spielt sie Schach, aber nach eigenen Angaben nur mittel-toll. „Es sammeln sich komischerweise lauter nette Leute bei uns an, die nicht zocken oder auf den schnellen Gewinn aus sind“, beschreibt Beate „ihren“ Verein. Immer wieder sonntags wird von 19 bis 22 Uhr im Mann-O-Meter, Bülowstraße 106, gespielt, entweder in Blitzschach von zwei mal fünf Minuten oder zwei längere ausgedehnte Partien. Nebenbei gibt es Kaffee, Bier, Saft und mitunter Kekse und Schokoriegel. Auch blutige Anfänger sind eingeladen, bekommen Hilfestellung.

Lesben und Schwule singen gerne, warum sonst gibt so viele „queere“ Chöre in der Stadt? Musikpädagogin Anna, 34, leitet gleich zwei: Die „Classicals Lesbians“, die seit 1996 Brahms, Schubert, alte Musik singen und so eben ihre erste CD „My Sweeatest Lesbia – Von Renaissance bis Moderne“ auf den Markt geworfen haben. Und den Heart-Chor, dessen 25 Mitsängerinnen ein Mal in der Woche Jazz, Pop und Schläger a là „Willst du mit mir gehen?“ oder „Lullaby of Birdland“ trällern. „Bei Frauen gibt es eine Tradition, sich basisdemokratisch zu organisieren“, erklärt Anna „deshalb sind Vereine nicht so angesagt, auch wenn es in finanzieller Hinsicht hilfreich wäre.“ Denn ein eingetragener Verein kommt leichter an Zuschüsse, Spenden und Probenräume. Trotzdem gibt es fest verteilte Aufgaben: Neben Kassenwärtin und Koordinatorinnen gibt es sogar eine Repertoire-Gruppe, die Liedtexte auf lesbisch umdichtet. Ein gewisser Grad an Struktur ist eben doch hilfreich. Oliver Numrich

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