Ahoi! Hier wird in zwei Sprachen gespielt

Oberwiesenthal im sächsischen Erzgebirge kennen viele nur als Wintersportort oder im Zusammenhang mit Skispringer und Olympiasieger Jens Weißflog. Doch die „höchst gelegene Stadt Deutschlands“, vom neuen EU-Nachbarn Tschechien nur durch das grüne Ufer des Pöhlbachs getrennt, wartet mit einer Sensation auf: Dem einzigen deutsch-tschechischen Kindergarten der Welt. Träger sind die Johanniter.

Über die Kita „Regenbogen“ im erzgebirgischen Oberwiesenthal ist in letzter Zeit viel berichtet worden: Das Fernsehen war da und die sächsische „Freie Presse“ und „Bild der Frau“. Dabei ist an der von den Johannitern getragenen Kindertagesstätte auf den ersten Blick nichts besonderes. Sie wurde neu erbaut und wirkt freundlich und einladend mit dem sonnengelben Anstrich und dem leuchtenden Silberdach. Auch innen ist es lichtdurchflutet und wie in allen Kindergärten schön bunt und laut. Ein paar Kinder ziehen sich an, denn gleich geht es zum Spielen nach draußen. „Nech nohy nahovîe, zavá^zu ti boty“, sagt die Erzieherin – und das klingt ungewöhnlich. Denn das war Tschechisch und heißt „Lass die Füße oben, ich binde dir die Schuhe zu.“ Im Regenbogen-Kindergarten wird nämlich Deutsch und Tschechisch gesprochen. Das, was jetzt, kurz nach der EU-Erweiterung, für die Medien ein großes Thema ist, ist in Oberwiesenthal ein alter Hut, längst Alltag. Denn schon seit dem Jahr 2000 spielen hier deutsche und tschechische Kinder zusammen. Damals allerdings noch in einem muffigen Alt-Neubau aus DDR-Zeiten. „Wir wollen Respekt und Toleranz vermitteln und Vorurteilen begegnen“, sagt Leiterin Sylvia Weisbach, 38, „und in den ersten sechs Lebensjahren lernen Kinder eben am meisten, da muss man anfangen.“ Insgesamt werden im Regenbogen-Haus 130 Kinder von 1 bis 10 Jahren in Krabbel-, Spielgruppen oder im Hort betreut. Zehn kommen bisher aus tschechischen Nachbarorten und die Warteliste ist lang. Schließlich bietet die Einrichtung fast alles, was man sich wünschen kann: Mal- und Bastelraum, Tonbrennerei, Turnhalle, Esszimmer, Ergo-Therapie-Raum, Ruhe-und Entspannungszimmer. Die meisten Gruppenräume haben zwei Ebenen und alle haben eigene Badezimmer und Toiletten, deren Beschaffenheit dem jeweiligen Alter angepasst ist. Dazu gibt es zusätzliche Angebote wie die Naturschutzgruppe, die Tanzmäuse, die christliche „Sternstunde“ und im Winter sogar Skiunterricht für alle Kinder ab 3 Jahren. Nur eins fehlt noch: Ein Spielplatz. Dafür reichte das Geld nicht mehr, nachdem die Baukosten immer weiter anstiegen. Ihre Muttersprache vermittelt Erzieherin Lucie Sequensové, 32, mit Liedern und Gruppenspielen wie der tschechischen Version von „Häschen in der Grube“, dem Lied an die Sonne oder dem Storchentanz. Der Maulwurf Kretk, den Deutsche aus der Sendung mit der Maus kennen, hilft ihr dabei. Die Kinder sollen einfache Vokabeln erkennen und wiederholen. Auch mit ihren Kolleginnen trainiert sie einmal pro Woche in Tschechisch. „Uns fällt es schwer, aber die Kinder können schnell eine paar Wörter“, gesteht Erzieherin Marlies. Am schnellsten lernen die tschechischen Kinder Deutsch. Kein Wunder, schließlich haben viele Großeltern oder Eltern, die selbst auch Deutsch sprechen können. Auch ^Stêpánka Mondrá, die Mutter von Charlota, die das erste „ausländische“ Kind in Oberwiesenthal war, spricht recht gut Deutsch. Sie betreibt in Bozí Dar (früher Gottesgabe), drei Kilometer von Oberwiesenthal entfernt, eine kleine Pension. Die nächste tschechische Kita war für Charlota viel zu weit entfernt und deshalb fragte Stêpánka Mondrá in der Kita Regenbogen an und brachte den Stein ins Rollen. Aber nicht nur die tschechischen Eltern sind begeistert. „Bei 90 Prozent der Eltern aus Oberwiesenthal kam die Idee einer zweisprachigen Kita gut an“, erzählt Weisbach. Auch Katja Süß, 32, Mutter von Johann,5, und Paula,8, lobt: „Ich finde sehr gut, dass die Kinder ohne Berührungsängste aufwachsen. Wir leben hier im Grenzgebiet, da sollte man sich verständigen können.“ Und so schwer ist es auch gar nicht. Hallo und Tschüß heißt: „Ahoi!“ Oliver Numrich

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