Palmöl in Süßigkeiten: Wie nachhaltig wird unsere Schokolade hergestellt?

Nutella art
Nutella ist eines der bekanntesten Produkte mit Palmöl.

Die Produktion von Lebensmitteln wird von der Öffentlichkeit oft kritisch begleitet und mit wechselnden Ansprüchen konfrontiert: Die Produkte müssen selbstverständlich allen gesetzlichen und hygienischen Bestimmungen entsprechen,  alle Inhaltsstoffe benennen, der Gesundheit zuträglich und für unterschiedliche Allergiker geeignet sein, manchmal sollen sie spezielle Zusatznutzen bringen („Functional Food“) oder auf tierische Bestandteile verzichten, also vegetarisch oder vegan sein, möglichst unter fairen und ökologischen Bedingungen sowie regional hergestellt werden, verschiedene Zertifikate von „Bio“ bis „Kosher“ tragen und auf problematische oder nicht erwünschte Inhaltsstoffe verzichten.

Zu den Inhaltsstoffen, die von immer mehr Menschen wegen der Anbaumethoden als problematisch angesehen werden, gehört Palmöl oder Palmfett. Doch die „Nachhaltigkeitslücke“ ist nicht das einzige Problem von Palmöl: Eine Untersuchung der Europäischen Lebensmittelbehörde hat Anhaltspunkte dafür gefunden, dass in Pflanzenfetten gesundheitsschädliche Stoffe enthalten sein können. Palmöl findet sich inzwischen in sehr vielen Lebensmitteln wie Backwaren, Babynahrung und Aufstrichen und gerade auch in Süßigkeiten wie Schokolade, da es bei Zimmertemperatur fest aber streichfähig bleibt, keinen Eigengeschmack hat und nicht so schnell ranzig wird. Darüber hinaus ist es auch noch günstig, weil die Früchte der Ölpalme so ergiebig sind. Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie hat errechnet, dass in Deutschland etwa 2 Prozent des weltweit erzeugten Palmöls verwendet wird, davon fließt etwa die Hälfte in die Herstellung von Biokraftstoffen, denn die Verwendung von Palmöl in Kraftstoffen wird sogar von der EU gefördert. Weitere Produkte mit Palmöl sind Kosmetika, Waschmittel, Aufstriche und Fertigprodukte. Etwa ein Zehntel des in Deutschland verwendeten Palmöls (0,2 Prozent der weltweiten Gesamtproduktion) wird für in Deutschland verkaufte Süßwaren verwendet.

Die Kritik von Umweltschutzverbänden wie Greenpeace oder dem WWF macht sich vor allem daran fest, dass für den Anbau von Ölpalmen vor allem in Indonesien und Malaysia ganze Urwälder gerodet werden und riesige Monokulturen entstehen. Um das zu verhindern, haben sich in den letzten Jahren verschiedene Zertifizierungsmodelle entwickelt, die nachhaltig hergestelltes Palmöl als solches kenntlich machen und auszeichnen sollen, die bekanntesten sind der Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) und die Rainforest Alliance. Innerhalb dieser Zertifizierungen des Roundtable (RSPO) gibt es 4 verschiedene Standards:

  1. Identity Preserved (IP): strikte physische Trennung von zertiziertem Palmöl verschiedener Plantagen. Die Ware wird in der Ölmühle nicht gemischt.
  2. Segregated (SG): Trennung von zertifiziertem und nicht-zertifziertemÖl. Die zertifizierte Ware wird untereinander in der Ölmühle vermischt.
  3. Massenbilanz (MB): kontrolliertes Vermischen von zertifiziertem und konventionellem Palmöl.
  4. Book & Claim (B&C) Online-Handel mit Zertifikaten, für eine Tonne Palmöl wird virtuell ein Zertifikat erworben.

Allerdings werden auch diese Bemühungen um Standards von Naturschutzorganisationen wie Greenpeace zum Teil als nicht streng genug kritisiert.

Ich habe mir einmal genau angesehen, was die Süßwarenunternehmen, deren Produkte in Deutschland verkauft werden, zu Palmöl sagen und einiges heraus gefunden…

Und so äußern sich die Schokoladen-Hersteller zu Palmöl*

Reber ohne Palmöl
Der weltgrößte Herseller von Mozartkugeln, die bayerische Konfiserie Reber, wirbt im Supermarktregal damit, kein Palmöl zu verwenden.

Bahlsen

Bahlsen hat nach eigenen Angaben bereits 2012 das in der Produktion eingesetzte Palmöl von konventionell auf nachhaltigeres Palmöl des RSPO-Standards „Massebilanz“ umgestellt und 2016 diesen Standard nochmals verbessert auf „Segregated“, wodurch eine deutlich verbesserte Rückverfolgbarkeit des Rohstoffs ermöglicht wird. Bahlsen kontrolliert selbst regelmäßig in Malaysia und Indonesien die Situation in den Anbaugebieten. Ebenso sollten die Kriterien der RSPO-Zertifizierung weiterentwickelt werden. Bahlsen sieht auch Schwachstellen des RSPO, wie beispielsweise fehlende Kriterien für den Schutz der Torfböden und den grundsätzliche Schutz vor Rodung von Regenwäldern. Bahlsen will sich innerhalb des “Forums für nachhaltiges Palmöl” für eine entsprechende Weiterentwicklung der Kriterien einsetzen.

Baronie/Stollwerck (Alpia, Esszett, Sarotti, Karina, Schwarze Herrenschokolade)

Mitglied im RSPO, 100% zertifiziertes Palmöl des Standards „Massebilanz“, keine darüber hinaus gehenden Aktivitäten auf Webseite erkennbar.

Ferrero/Nutella

Seit 2013 verwendet Ferrero für Nutella 100% nach RSPO zertifiziertes Palmöl des zweithöchsten Standards (Segregated), das über die gesamte Beschaffungskette von konventionellem Palmöl getrennt bleibt. Darüber hinaus  hat Ferrero eine eigene Palmöl-Charta aufgesetzt, die unter anderem festlegt, dass Palmöl nur aus Quellen gekauft wird, die nicht zu Abholzung, Artensterben, hohen Treibhausgasemissionen oder Menschenrechtsverletzungen beitragen. Außerdem ist Ferrero seit 2015 Mitglied der „Palm Oil Innovation Group“, die sich aufbauend auf den RSPO-Standard für eine nachhaltige Palmölindustrie einsetzt. Die Einhaltung der sozialen und ökologischen Richtlinien der Ferrero-Charta werden auf den Palmöl-Plantagen vor Ort von der Umweltschutzorganisation „The Forest Trust“ überprüft. Mit Hilfe von Rückverfolgungscodes kann das Palmöl von 99,5% aller zuliefernden Plantagen nachverfolgt werden: Es stammt von 63 Mühlen und 301 Plantagen auf der malaiischen Halbinsel (76%), Papua-Neuguinea (18%), dem malaiischen Teil Borneos (4%), Indonesien (1%), Brasilien (1%), Guatemala (<1%) und den Salomon-Inseln (<1%).

Halloren

Der Pralinenfabrikant aus Halle in Sachsen-Anhalt hat zuletzt 2015 einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt und ist darin auch auf Palmöl eingegangen. Darin verweist Halloren auf seine Mitgliedschaft im RSPO und darauf, seit 2012 100% zertifiziertes  Palmöls nach dem dritthöchsten RSPO-Standard „Massebilanz“ zu verwenden. Dieser Stand solle beibehalten werden, das Anstreben einer höheren Zertifizierungsstufe wird nicht benannt.

Lindt

In den Schokoladen von Lindt wird ausschliesslich Kakaobutter verwendet, aber auch hier sind in manchen Füllungen  Palmöl. Im Produktionsprozess setzt Lindt & Sprüngli seit 2008 auf nachhaltig hergestelltes Palmöl und beteiligt sich als aktives Mitglied am Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl. Lindt setzt ausschließlich (100%) zertifiziertes Palmöl gemäss dem zweithöchsten Standard “Segregated palm oil” ein.

Mars

In vielen Mars-Produkten sind kleine Mengen Palmöl enthalten, weshalb sich Mars nach eigenem Bekunden für den Schutz der Wälder und der Artenvielfalt einsetzt, indem sie die Klimabilanz der Lieferketten minimieren und die Rechte betroffener Kommunen und Landarbeiter achten. Mars ist ebenfalls Mitglied des Roundtable for Sustainable Palmoil. Seit 2013 beziehen sie 100% ihres Palmöls aus RSPO-zertifizierten Quellen über den drittbesten Standard, das „Massenbilanz“, weil dadurch Kosten und Komplexität der Handhabung separater Lieferketten verringert würden. Das bedeutet: obwohl genug zertifiziertes Palmöl zur Deckung des Bedarfs von Mars in die Lieferkette eingeht, kommt dieser Rohstoff zum Teil aus unbekannten und nicht zertifizierten Quellen.

Abgesehen vom RSPO-Standard verpflichtet sich Mars, zukünftig nur noch Palmöl von Unternehmen zu beziehen, die weitere Bedingungen erfüllen wie den Ausschluss von Brandrodung zur Gewinnung von Anbaugebieten, Schutz von Torflandschaften und Waldgebieten sowie die Einhaltung des Mars-Verhaltenskodex für Lieferanten, in dem es um Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Diskriminierung, Entschädigung und Leistungen, Arbeitszeiten, Vereinigungsfreiheit und dem Recht auf Tarifverhandlungen, Gesundheit und Sicherheit, Umwelt und ethische Geschäftspraktiken geht.

Milka/Mondelèz

Die klassische Milka-Schokolade enthält kein Palmöl, allerdings bestimmte Füllungen sowie Kuchen- und Keksprodukte. Palmöl ist stets deutlich sichtbar auf der Zutatenliste gekennzeichnet. Seit 2013 nutzt Milka nach eigenen Angaben zu 100 Prozent Palmöl nach den Kriterien des Roundtable on Sustainable Palm Oil und seit 2015 kann 90% des Palmöls bis zu den einzelnen Mühlen zurückverfolgt werden. Mit eigenen, unternehmensinternen Maßnahmen gehen Milka bzw. sein Mutterkonzern Mondelez über den RSPO-Standard hinaus und hat mit dem WWF seine Lieferketten überprüft und sich zu strengeren Auflagen verpflichtet. Demnach darf das Palmöl nur noch von genehmigten Plantagen bezogen, es darf unter keinen Umständen Regenwald abgeholzt und die Menschenrechte müssen während des Abbaus unbedingt geachtet werden.

Nestlé

Palmöl spielt als Zutat bei Nestlé mengenmäßig nur eine untergeordnete Rolle. Nestlé unterstützt den Round Table on Sustainable Palm Oil. Da dessen Kriterien teilweise als nicht ausreichend kritisiert werden, hat Nestlé 2010 eigene „Responsible Sourcing Guidelines“ eingeführt, die weitreichender sind. Gemeinsam mit „The Forest Trust“ überprüft Nestlé seine Lieferanten und die Anbaumethoden deren Zulieferer. Danach kommen, ergänzend zu den RSPO-Kriterien, nur Plantagen und Farmen infrage, die sich an lokale Gesetze und Regulierungen halten, Regenwaldschutzgebiete bewahren, die frühzeitige und einvernehmliche Beteiligung der einheimischen Bevölkerung und Gemeinschaften in den Prozess der Erschließung neuer Plantagen sicherstellen sowie insbesondere Torfmoore und Waldgebiete mit hohem CO2-Speicherwert schützen. Inzwischen entsprechen 94% des verarbeiteten Palmöls den Nestlé-Einkaufsrichtlinien, davon stammen 41% aus bis in den Anbau transparenten Lieferketten (höchster RSPO-Standard), weitere 53% genügen dem zweithöchsten RSPO-Standard (Segregated).

Ritter Sport

In der Tafelschokolade ist kein Palmfett enthalten, sagt Ritter Sport, aber in de nFüllungen einiger Sorten wie Joghurt oder Espresso. Weil die Füllungen nur mit Palmfett die perfekte Konsistenz haben (nicht zu weich und nicht zu fest), gäbe es bislang für Ritter Sport keine Alternative. Ritter Sport ist Mitglied des Round Table on Sustainable Palm Oil (RSPO) und bezieht ausschließlich RSPO-zertifiziertes Palmöl. Laut WWF Palmöl-Monitor von 2015 stammt bei Ritter Sport 77% des Palmöls aus dem drittbesten Standard (Massenbilanz) und 23% aus dem niedrigsten  Standard (Zertifikate-Handel).

Storck (Merci, Dickmanns)

Für seine Schokoladenmassen setzt Storck als pflanzliches Fett ausschließlich Kakaobutter ein, Palmöl kommt vornehmlich in den Füllungen zum Einsatz. Als mittelständisches Familienunternehmen verfügt Storck nicht über eigene Plantagen, über eigene Einkaufsorganisationen oder lokale Repräsentanzen in den Palmölanbauländern. Stattdessen ist Storck seit 2011 Mitglied beim RSPO und setzt seit 2015 nur noch nachhaltig erzeugtes und zertifiziertes Palmöl der Stufen 3 (Massenbilanz, 76%) und 4 (Book&Claim, 24%) ein. Der RSPO sei als größte internationale und länderübergreifend gut vernetzt arbeitende Organisation im Bereich Palmöl die beste Basis, die erforderlichen Fortschritte zu erzielen. „Die Massenbilanz sehen wir nicht als niedrigeren Zertifizierungsstandard im Vergleich zu anderen“, sagt die Pressesprecherin der August Storck KG, Andrea Moritz, auf meine Anfrage, „gleichwohl prüfen wir regelmäßig, ob die technologischen Voraussetzungen gegeben sind, auf Segregation wechseln zu können. Dies ist leider bei einigen speziellen Palmölverarbeitungserzeugnissen derzeit nicht sicher möglich. Wir sind allerdings zuversichtlich, dass die Palmöl verarbeitende Industrie diese Probleme beheben können wird.“

Mein persönliches Fazit

Man erkennt, dass fast alle Süßwarenunternehmen Mitglied im Round Table von Sustainable Palm Oil sind, wobei die großen, international tätigen in der Regel höhere Zertifizierungsstandards erfüllen und mit eigenen Initiativen über die Anforderungen des RSPO hinausgehen. Doch so ehrenwert und wichtig alle Bemühungen der deutschen Süßwarenhersteller sind, die Anbaubedingungen für Palmöl mit Hilfe von Zertifikaten zu kontrollieren und zu verbessern, so liegen die entscheidenden Hebel für eine nachhaltigere Produktion doch bei den Hauptverwendern von Palmöl außerhalb der Süßwarenindustrie und außerhalb Deutschlands. Leider ist gerade in den Hauptabnehmerländern China und Indien das Bewusstsein für Umweltschutz im Allgemeinen und nachhaltige Anbaumethoden im Besonderen deutlich von unseren Maßstäben entfernt.

Für Verbraucher in Deutschland ist es allerdings ein beruhigendes Gefühl, wenn Süßwarenhersteller die Anbaubedingungen für Palmöl kontrollieren und mithelfen, sie zu verbessern. In diesem Bemühen sollten wir sie durch gezieltes Kaufverhalten unterstützen. Ich werde deshalb in Zukunft öfter darauf achten, ob Hersteller nach möglichst hohen Standards zertifiziertes Palmöl verwenden und das auch auf ihren Verpackungen angeben. Aber es besteht aus meiner Sicht keinerlei Notwendigkeit, auf Produkte mit Palmöl oder Palmfett zu verzichten! Lassen wir uns nicht verrückt machen! In diesem Sinne: Frohes Naschen!

*Die Statements stammen von den Webseiten der Hersteller; Onlinerecherchen im Juli / August 2017, Reihenfolge alphabetisch.

 

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1 Kommentar

  1. Vielen Dank für diesen Artikel und die gute Übersicht. Allen, die sich für dieses Thema interessieren, empfehle ich sich die Dokumentation „Die grüne Lüge“ anzuschauen. Dort wird unter anderem der Standpunkt vertreten, dass es faires Palmöl gar nicht geben kann. https://www.youtube.com/watch?v=cP_nmUZQKLI

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