Gibt es faire Süßigkeiten? Und was unterscheidet sie von unfairen?

Oliver Numrich naschkater die gute Schokolade ISM 2017
Naschkater Oliver Numrich auf der ISM 2017 mit "Die gute Schokolade", die auch fair gehandelt ist.

Beim Thema „Fairer Handel“ bin ich familiär vorbelastet, denn meine Frau Mama hat jahrelang im Eine Welt-Laden auf Langeoog ehrenamtlich Waren aus Entwicklungsländern verkauft (siehe Beitrag hier). Die Idee, dass Konsumenten für Produkte mehr bezahlen, um damit Herstellern in Ländern mit schlechter Infrastruktur zu helfen, finde ich grundsätzlich gut. Sie widerspricht nicht automatisch marktwirtschaftlichen Grundprinzipien, denn man kann „fair gehandelt“* einfach als ein positives Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Produkten auffassen, für das Konsumenten bereit sind, mehr zu bezahlen, so wie bei Bio-, veganen oder laktosefreien Produkten.

Allerdings suggeriert die Begrifflichkeit „Fairer Handel“ auch, der „normale“ Handel sei unfair – und darin steckt bereits eine auffällige ideologische Abwertung der freien Marktwirtschaft, für die Kriterien wie Fairness oder Gerechtigkeit nicht relevant sind. Dahinter steht leider häufig eine negative Grundhaltung von Fairtrade- und Eine-Welt-Organisationen gegenüber Marktwirtschaft und Handelsfreiheit. Auch das könnte für manchen ein Grund sein, keine derart ideologisch aufgeladenen, fairen Süßigkeiten zu kaufen.

Die gut Schokolade ist fair gehandelt und schmeckt

Eine Süßware aus diesem Bereich, die mir außerordentlich gut gefällt, ist zum Beispiel die von der Schweizer Stiftung Plant for the Planet produzierte „Die gute Schokolade„: Erstmal schmeckt sie wirklich hervorragend, dann sind die enthaltenen Zutaten Zucker und Kakao Fairtrade-zertifiziert, die Milch stammt von Schweizer Kühen, Herstellung und Transport erfolgen klimaneutral und darüber hinaus wird auch noch ein Teil des Gewinns in Aufforstungsprojekte und eine Jugendakademie gesteckt.

Abgesehen davon ist die Tafel von der Gußform mit ungleichmäßigen Kammern bis zur Umverpackung sehr schön in sattem Kakaobraun mit Milchweiß gestaltet. Mehr geht eigentlich nicht! Also ein großartiges Produkt, das man direkt hier bei der Plant-for-the-Planet-Stiftung bestellen kann.

Können Süßigkeiten aus Diktaturen fair sein?

Eine Süßigkeit, bei der mir hingegen die Haare zu Berge stehen, ist „Cubra Libre“ von El Puente mit Zutaten aus Kuba. Ja, das ist diese kleine Inseldiktatur, wo Menschen wegen abweichender Meinung oder Homosexualität ins Gefängnis kommen oder schlimmeres. Klar, in China, woher inzwischen einige unserer Süßwaren und Zutaten kommen, gibt es auch keine Demokratie, keine Gewaltenteilung, keine Presse- und Meinungsfreiheit und es werden dort weltweit die meisten Menschen hingerichtet (vor Iran und Saudi-Arabien) – aber wie kann eine Fairtrade-Organisation mit gutem Gewissen mit diesem Regime in Kuba zusammenarbeiten und damit auch noch auf der Verpackung werben?!

Ich gebe zu, dass ich hier besonders strikt bin und auch nicht nach Kuba zum Strandurlaub oder in einen Terror-Gottesstaat wie Iran zum Sightseeing reisen würde. Auf meine Frage, wie El Puente sicherstellt, dass die kubanischen Erzeuger nicht unter politischem Druck stehen, antwortete Pressesprecherin Nina Labode ausweichend: „Grundsätzlich legen wir unseren Fokus auf die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort und die Verbesserung ihrer Situation und nicht auf eine Zusammenarbeit mit Akteuren in bestimmten Staaten. Wir sehen unsere Rolle darin, Menschen zu stärken, damit sie Situationen struktureller Benachteiligungen verändern können und sich vor Ort für Menschenrechte und gegen Repression einsetzen können.“

Und auf meine Nachfrage, ob El Puente dem sozialistischen System auf Kuba positiv gegenüberstehe und ob nicht Demokratie Teil des Fairtrade-Selbstverständnisses sei, kam diese Antwort: „El Puente steht dem Gedanken eines solidarischen Wirtschaftens positiv gegenüber. El Puente geht es aber darum, Menschen zu unterstützen und nicht ein politisches System wie den kubanischen Sozialismus per se zu stärken. Unsere Organisation orientiert sich an Grundsätzen des Miteinanders, die sich in den Fairhandels-Kriterien der WFTO widerspiegeln. In unserem Verständnis von Fairem Handel spielt die demokratische Organisation unserer Handelspartner eine wichtige Rolle.“ Danach führt sie aus, dass es El Puente vor allem um die innerbetriebliche Demokratie geht – zur staatlichen Demokratie trifft sie keine Aussage. Außerdem hat El Puente einen ehrenamtlichen Beirat, der jährlich neu über die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Kuba entscheidet – wenn auch nicht ganz klar wird, ob dabei tatsächlich Kriterien wie staatliche Demokratie oder Meinungsfreiheit berücksichtigt werden. In der Antwort heißt es nur schwammig, der Projektpartnerausschuss kontrolliere die Zusammenarbeit mit den Handelspartnern. Mein schriftlich geführtes Interview mit Nina Labode von El Puente kann man hier vollständig nachlesen.

Aber zurück zum Produkt! Die Idee selbst gefällt mir: ein Teil des Fruchtgummis hat den Geschmack von Cola und die andere Hälfte sind kleine Zitronenscheiben – also Zutaten für den entsprechenden Drink – allerdings ohne Alkohol. (Über Weingummi mit Alkohol habe ich auf der ISM mit einigen Leuten gesprochen, das könnte uns demnächst begegnen.) Die Konsistenz von „Cuba Libre“ ist gut, Aroma okay, wobei die Cola-Figuren für mich einen seltsamen Beigeschmack haben. Die Verpackungsgestaltung empfinde ich als sehr gelungen mit grünen und braunen Schattenrissen von Palmen und Landbevölkerung, dazu der Schriftzug „Cuba Libre“ mit dem roten Kommunistenstern darüber – okay, das buche ich unter Folklore ab.

Grundsätzlich finde ich Fairtrade eine vernünftige Sache, so lange die Produkte gut gemacht sind und Freude und Genuss – nicht schlechtes Gewissen! – im Vordergrund stehen. Aber ich denke, der Verbraucher sollte trotzdem genau hinschauen, was er kauft und wen er damit fördert, damit er nicht am Ende versehentlich – trotz bester Absichten – ein sozialistisches Regime unterstützt, das seine Bevölkerung unterdrückt.

Hier einige Beispiele für faire Süßigkeiten

*Und darin zeigt sich einfach mal wieder die großartige Integrationskraft des Kapitalismus: Für jedes Nischenprodukt – selbst jene, die sich ihm widersetzen – bildet sich bei entsprechendem Angebot ein Markt und das Ganze funktioniert, wächst und gedeiht, Menschen können Einkommen generieren und Jobs schaffen. Oder aber, falls es ein mieses Produkt ist oder zu teuer und es keiner kaufen will, stirbt es ab und macht Platz für besseres. Halleluja!

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