Zwickau – Der Tod ist kein Tabuthema mehr, über das mit vorgehaltener Hand gesprochen werden muss. Trauern schon. Dafür schämt man sich, darüber spricht man nicht. Wer um den Tod eines geliebten Menschen trauert, tut das zuhause, allein. Denn Freunde und Kollegen gehen schnell auf Abstand, sprechen das Thema nicht an aus falscher Furcht, nicht die richtigen Worte zu finden. Damit sich das ändert, haben Caritas, Stadtmission und Johanniter gemeinsam ein Trauercafé eröffnet.
Seit Anfang des Jahres lädt der ökumenische Hospizdienst „Elisa“ Trauernde zu Kaffee und Kuchen ins Caritas-Haus ein. Kein Leichenschmaus, sondern regelmäßiges Treffen, denn Trauern braucht seine Zeit. Und es ist lebenswichtig: Wer nach dem Tod eines geliebten Menschen nicht trauert wird krank. Nur wer schmerzvoll verarbeitet, gewinnt die Fähigkeit zur Freude zurück. Drei mal im Monat, mittwochs und samstags können Menschen, die einen Angehörigen oder einen Freund verloren haben, im Zwickauer Trauercafé in ungezwungener Atmosphäre mit Hospizhelfern über ihren Verlust sprechen. Durchschnittlich zehn Betroffene kommen zum Café, die meisten davon Witwen zwischen 60 und 80 Jahren. Doch unter den Gästen sind auch jüngere Frauen um die 40, deren Ehepartner an Herzinfarkt starben oder Selbstmord begangen, nachdem sie arbeitslos wurden. Männliche Gäste hingegen sind noch die Ausnahme. Zum Trauercafé kann man ohne Anmeldung kommen und jedes Mal bringt jemand etwas Selbstgebackenes mit – beim letzten Treffen gab es Russischen Zupfkuchen und Quarksahneschnitten. Für die Unkosten steht eine Spardose auf dem Tisch, in die jeder steckt, was er zur Verfügung hat. Für Einzel- oder Gruppengespräche am Rande der Kaffeetafel stehen die Seelsorgerin Katrin Schlachte, 39, oder ihre ebenfalls hauptamtliche Kollegin Birgit Leipoldt, 35, sowie drei ehrenamtliche Hospizhelfer zur Verfügung. Wer sich aussprechen möchte, findet aufmerksame Zuhörer, bei denen er sich nicht dafür entschuldigen muss, dass er die gleiche Geschichte abermals erzählt. Doch es ergeben sich auch Gespräche unter den Angehörigen: Manche kennen sich von vorangegangenen Treffen oder haben sich auf dem Friedhof schon mal gesehen. Für die regelmäßigen Gäste ist das Café deshalb auch ein Ort der Begegnung. „Vielen Menschen fällt es schwer, vor nahestehenden Verwandten oder Freunden negative Gefühle zuzulassen und ihre Trauer mitzuteilen“, sagt Katrin Schlachte. Dazu kommt die Einsamkeit vieler Senioren, die nach dem Tod des Partners allein bleiben und sich mit niemandem austauschen können. Doch Trauern ist ein für Körper und Geist notwendiger Prozess. „Manche glauben, sie werden damit nicht fertig. da hilft es zu wissen, das es anderen auch so geht“, so Schlachte. Von einer Trauerselbsthilfegruppe ohne professionelle Anleitung hält sie allerdings wenig: „Die Trauernden würden sich am Ende nur gegenseitig runterziehen. Wir bieten ihnen stattdessen ein ‚Geländer‘ durch die Trauer.“ Denn nur wenn jemand den Verlustschmerz wahrgenommen habe, wie er für ihn notwendig war, könne er den Weg zu Freude wieder finden. Deshalb wird im Trauercafé auch kreativ-sinnliche Unterhaltung geboten: Osterdekorationen gebastelt, Fensterbilder gemalt, getöpfert. „Manchmal spielt sich der gesamte Trauerprozess im Kleinen an einem Nachmittag im Café ab“, sagt Schlachte: „Am Anfang gibt es Tränen, da werden Gespräche geführt, die weh tun. Und am Abend, nachdem wir gemeinsam etwas gemacht haben, sieht man das ein oder andere Lächeln.“ Oliver Numrich
Vor ein paar Jahren bin ich selber in eine Trauergruppe gegangen, nach dem Tod meiner Freundin. Da wurde uns auch das Trauercafe empfohlen. Das ist eine gute Sache. Reden zu können, ohne zu hören:“Reiß Dich doch zusammen!“ – Allmählich ist die Trauer etwas verblasst.Manchmal kommt doch noch die „Warum“? -Frage. Aber die darf ich in so einem Kreis ohne Scheu äußern!ju.bo