
Ich habe einen der Gründer von nu+cao 2017 auf einem Ernährungs-Kongress des Tagesspiegels in Berlin kennengelernt, als er seine Riegel am Mittagsbüfett auslegte. Ich hatte damals noch nicht die leisteste Ahnung von Nachhaltigkeit oder Functional Food und war mit dem Produkt aus Hanfsamen und Rohkakao völlig überfordert.
Damals hatten die als 40-Gramm-Portionen einzeln verpackten Schokorippen bereits die Form hintereinander liegender Toblerone–Dreiecke mit gekappter Spitze. Es gab vier Sorten: Espresso, Kokosnuss, Haselnuss und Barberry (Berberitzen), die jeweils in einfarbigen, schlicht-schönen Kartons zum Aufklappen verpackt waren.
Ehrlich gesagt erschienen mir die beiden Riegel, die ich probiert habe (Kokos und Haselnuss), viel zu bitter und irgendwie freudlos, als dass ich sie hätte genießen können, geschweige denn gekauft hätte. Aber sie waren wirklich vollgestopft mit hochwertigen (Mandeln) und ungewöhnlichen Zutaten wie Hanfsamen, Acerola oder Lucuma. Gesüßt waren sie (wie die Raccoon-Schokolade) mit Kokosblütenzucker und enthielten kein Milchpulver, waren also vegan. Ausgelobt wurden außerdem die natürlicherweise in Kakao vorkommenden Mineralien Magnesium und Eisen sowie Antioxidantien und Omega-3-Fettsäuren.
Erst zwei, drei Jahre später habe ich erkannt, dass sich für „optimierte“ und nachhaltige Schokoladensnacks ein Markt entwickelt, den nu+cao im Blick hatte.
So sahen die nu+cao-Produkte anfangs aus
nu+cao verbindet Relaunch mit Schmutzkampagne

Ein EXIST-Stipendium für Gründer, die Förderung der KfW und der Sächsischen Aufbaubank ermöglichten den Start der Produktion in Dresden. Doch dann muss sich bei dem sympathischen Kakao-Startup irgendwas verändert haben. War es der Umzug nach Leipzig?! Denn als ich das nächste Mal von ihnen hörte bzw. las war ich vollends geschockt: Auf Plakaten stellten sie sich plötzlich großspurig als Retter der Welt dar und bewarfen die Mitbewerber mit Dreck.
Ich hatte diese Schmutzkampagne zunächst gar nicht mit dem freundlich-geschäftigen Gründer vom Ernährungskongress in Verbindung gebracht. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, um wen es sich da handelte. Ich war damals total entsetzt über die Methode, Mitbewerber pauschal als „Großkonzerne“ abzustempeln und deren Schokolade als „Zeug“ zu bezeichnen. Dazu kam auch noch ein unsachlicher, von Ahnungslosigkeit geprägter Schmähbrief an die damalige Ernährungsministerin Klöckner.
In einem Video forderte einer der Gründer sogar die Einführung einer Zuckersteuer von der Ministerin und ein Schokoladenreinheitsgebot, über das sie auf einem Schokoladengipfel mit den verpönten Mitbewerben sprechen wollten. Sogar ein gemeinsam Produkt sollte entwickelt werden. Ob dabei irgendetwas heraus gekommen ist, ist nicht überliefert. Wie anmaßend, wie selbstgerecht darf ein Food Startup sein? Klar, möchte man sich unterscheiden, auch provozieren, aber so? Auf mich – und vermutlich auch etliche andere Verbraucher – wirkte das verstörend und mega unsympathisch.
nu+cao hatte damals auch seine Verpackungen sowie die Sorten umgestellt: statt im dünnen Karton kommen sie seitdem in recyceltem Kunststoff eingeschweißt. Die Sorten waren jetzt: Almond-Sea Salt (Mandel-Meersalz), Cashey-Vanilla, Coconut-Cinnamon (Kokosnuss-Zimt) und Roasted Hazelnut (geröstete Haselnuss).
Beispielprodukte der mittleren nu+cao-Linie
Überraschende Kehrtwende: nucao jetzt mit Zucker als Hauptzutat
Nachdem 2021 in einer neuen Finanzierungsrunde 14 Millionen Euro unter anderem von den Investoren Nico Rosberg und Tina Müller eingesammelt wurden, bekam die Geschichte eine originelle Wendung: nucao hat sich nicht nur vom Plus im Namen verabschiedet und erneut einen Verpackungsrelaunch (mit einer verstörend anthroposophischen Schrift) hingelegt, sondern auch die Rezepturen komplett umgestellt. Neue Hauptzutat in jedem Riegel: Zucker!!!
In einem länglichen Rechtfertigungstext wird diese Umstellung als Anpassung an die Kundenwünsche erklärt. Nebenbei sei es auch nachhaltiger, deutschen Rübenzucker zu verwenden, als Kokosblütenzucker vom anderen Ende der Welt. Ach was, wirklich?! Schön, dass die ambitionierten Gründer das jetzt auch verstanden haben, nachdem sie zuvor ihre Mitbewerber genau dafür reichlich kritisiert haben!
Die ganze Aufregung und Selbstgerechtigkeit aus der teueren Schmutzkampagne ist für die Katz, denn jetzt ist auch nucao einfach nur ein Schokoriegel unter vielen. Was ja völlig okay ist…!
Hier die nucao-Rezepturen im Vergleich:
- nu+cao früher: 29% rohe Kakaomasse, 23% Hanfsamen, getrockneter Kokosblütennektar, rohe Kakaobutter, Acerola.
- nucao heute: Rübenzucker, Kakaomasse, Kakaobutter, gemahlene Haselnüsse (15%), fettarmes Kakaopulver, Sonnenblumenöl, Bourbon Vanilleextrakt.
Inzwischen gibt es neben den Schokoriegeln auch Tafelschokoladen, Schokosnacks und Schokokugeln in vielen verschiedenen Sorten, darunter Crisp & Crunch, Dark Nougat, White Crunchy Hazelnut und Salted Caramel. Die noch im September 2021 im Magazin „Business Punk“ als neue Produktlinie angekündigten Proteinshakes „numove“ werden inzwischen auf der Webseite verramscht. Auch die Altbestände von Weihnachten 2022 sind dort (im Februar) sowie auf sirplus.de noch zu erwerben.
Kommentar verfassen