Egal ob die Sonne scheint oder es schneit – Jeff Ewuzi steht vor seinem Geschäft in der Zossener Straße, einen Kaffeebecher locker in der Rechten und quatscht angeregt mit Nachbarn, Kumpels oder Kunden. Meist trägt er enge kurzärmeliges Hemden oder T-Shirts, die seinen muskelbepackten Oberkörper voll zur Geltung bringen. Jeden, der aus der Tür des Wohnhauses tritt, begrüßt er mit einem freundlichen Blick, viele mit einem Handschlag. „Der Stefan“, erzählt er von dem Juristen im ersten Stock, „hatte einem Herzinfarkt und Johanna aus dem Zweiten hat sich von ihrem Freund getrennt.“ Jeff kennt sie alle und alle ihn wie auch die meisten Inhaber der kleinen, schicken Läden und Cafés nördlich der Bergmannstraße. Oft zuckt seine Hand in die Brusttasche zum brummenden Mobiltelefon: Vertreter wollen eine Kollektion vorstellen, die neue Filiale in Friedrichshain muss eingerichtet werden und seine Mutter kündigt an, demnächst zum Blitzbesuch aus Texas vorbei zu kommen. Jeff ist ein Energiebündel, ein Powermensch, der morgens um fünf durch den Grunewald joggt, dann Klamotten im Nike-Showroom ordert und anschließend den ganzen Tag mit geduldiger Freundlichkeit und sicherem Geschmack seine Kundinnen und Kunden berät. „Not only shoes“ heißt das Geschäft, das der 33-jährige Hobbyboxer seit dem Frühjahr betreibt und in dem er den anspruchsvoll gewordenen Kreuzbergern ausgewählte Textilien, Accecoires und eben Schuhe anbietet. Das Besondere: Neben bekannten Marken wie Boss, Adidas, Fly oder Gola finden sich auch viele Produkte, die Ressourcen schonend hergestellt oder fair gehandelt sind. So führt Jeff die ersten organischen Jeans an, die das niederländische Label Kuyichi schneidert, unter fairen Arbeitsbedingungen produzierte Textilien von LOHA und Turnschuhe von Veja, die ohne Gummisohlen auskommen. Die veganen Taschen vom kanadischen Matt & Nat aus synthetischem Leder entsprechen seiner eigenen Lebenseinstellung, wonach jeder sich für etwas Gutes entscheiden kann, ohne an Stil oder Lebensqualität einzubüßen. „Ich denke, die Kreuzberger haben eine besondere Affinität für meine Produkte. Wer die Geschichte des Bezirks kennt weiß, dass die immer ihren eigenen Weg gegangen sind“, sagt Jeff, der seinerseits auch einen eigenwilligen Lebensweg vorweisen kann. Ewuzie ist Jeffs Familienname und der kommt aus dem westafrikanischen, doch geboren und aufgewachsen ist Jeff in Houston, Texas. Seine Eltern sind geprägt von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre. Weil die Kinder die bestmögliche Bildung erhalten sollten, wird Sohn Jeff schon mit zwölf Jahren nach London in ein von strengen katholischen Nonnen geführtes Internat geschickt. Mit 20 kommt er von dort zurück nach Houston, um Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Osteuropa zu studieren. 1998 bereist er sein Studiengebiet und verliebt sich in Deutschland. In das Land und in einen einzelnen Menschen. „Berlin war für mich immer ein Begriff“, sagt Jeff, „schon allein aufgrund der politischen Aktivitäten, von denen ich viel gelesen habe.“ Man kommt an der Stadt eben nicht vorbei, wenn man Politik studiert. Sein erster Eindruck entsprach den Vorstellungen: „Berlin war nicht einfach nur ein Teil Deutschlands, sondern was besonderes, weil die Menschen hier immer anders waren.“ Die Deutschen nimmt Jeff als verschlossen wahr, zumindest weniger offen als sich selbst. Das sei schon was typisch amerikanisches, das Unbekümmerte, das Sorglose. „Die Deutschen überlegen alles sehr gründlich, bevor sie den ersten Schritt machen“, sagt er, „diese deutsche Gründlichkeit ist eine Sache, die wir Amerikaner nicht mitbringen. Wir sind auch fleißig, aber die Deutschen sind eben gründlich.“ Probleme wegen seiner dunklen Hautfarbe hatte er noch nicht, die Frage ärgert ihn sogar. Nein, er habe sich weder in Grunewald, wo er wohnt, noch in Kreuzberg mit Rassismus auseinander setzen müssen. Und das Phänomen gäbe es schließlich genau so in Frankreich, England oder Amerika. „Ich bin da nicht so unberuhigt. In meinem Alltag sehe ich das auch ganz und gar nicht, nicht als Geschäftsmann, nicht als Sportler, nicht als Freund.“ Doch auf Nachfrage gibt er zu, dass es bestimmte Regeln gibt, an die er sich selbstverständlich hält. Eine davon gilt für Geschäftsreisen durch Ostdeutschland. „Wenn ich in den Osten fahre, dann nur mit Navigationsgerät, der Tank muss voll sein, die Fenster zu und die Musik laut.“ Oliver Numrich
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