Portrait: Vom Sanhelfer zum jüngsten Kreisgeschäftsführer

Der Mann, der heute JUH-Vorstand in Ravensburg ist, wurde mit einem Trick zu den Johannitern gelockt. Es geschah im Konfirmandenunterricht: „Uns wurde gesagt, dass alle Konfirmanden bei den Johannitern kostenlos einen Erste Hilfe-Kurs machen können“, sagt Stefan Dittrich heute. Der Kurs begann eine Woche nach der Konfirmation, zur gleichen Uhrzeit, zu der sonst der Pfarrer die christlichen Grundsätze gelehrt hatte. Was keiner von ihnen wusste: Damals wurde Erste Hilfe überall umsonst angeboten! Die Anpreisung war nur ein Lockmittel, um die Konfirmanden nahtlos zur JUH zu überführen. Die Ausbildung zog sich über fast vier Monate hin, anschließend hat der Ausbilder gefragt, wer bei der Jugendgruppe mitmachen will. „Ich hatte Lust“, erinnert sich Stefan, „aber meine Eltern nicht!“ Denn bei der Johanniter-Jugend wurden braune Hemden getragen und das war ihnen suspekt. Stattdessen hat er dann mit 16 einen Sanitätshelferkurs gemacht, bei dem er richtig viel büffeln musste: „Dafür haben wir uns super gefühlt nach der Prüfung, wir waren die, die anpacken und helfen konnten“, erinnert er sich. Das Zusammengehörigkeitsgefühl bei den Johannitern hat ihn schon damals begeistert. Eines Abends – die Eltern sind im Urlaub – knattert er mit seinem Mofa durch Ravensburg und sieht, dass bei den Johannitern noch Licht brennt: Kollegen packen für die Interschutz in Hannover, die große Rettungsdienstmesse. Noch in der Nacht wollen sie losfahren. Spontan schließt Stefan sein Mofa an und kommt mit: Eine Nacht rauf, einen ganzen Tag vor Ort und die nächste Nacht zurück. „Das war ein spontanes Abenteuer für mich damals“, sagt der heute 36-Jährige. Dass er keinen Pfennig bei sich hatte war kein Problem: die beiden älteren haben alles bezahlt, vom Eintritt bis zum Essen. „So was vergisst man nicht“, sagt Stefan, „diesen Zusammenhalt fand ich toll.“ Auch während seiner Ausbildung zum Steuerfachangestellten schaut er zusätzlich zu den Gruppenabenden jeden Freitagnachmittag in der Dienststelle vorbei. Die etwas trockene Ausbildung hat er auf Drängen der Eltern angefangen. Weil die Arbeit im Steuerbüro jeden Tag bereits um 6:30 Uhr begann, war schon um 15 Uhr Schluss und Stefan konnte bei den Johannitern das Materiallager aufräumen oder irgendetwas aushecken. „Im Nachhinein muss ich meinen Eltern sogar dankbar sein“, sagt Stefan, „denn durch Steuerausbildung hatte ich Verständnis für Zahlen und Betriebsführung entwickelt.“ Doch dann wurde eine Stelle als Sachbearbeiter für Soziale Dienste bei den Johannitern frei und Stefan zögerte keine Sekunde, sich zu bewerben. „Die haben mich gleich eingestellt, weil ich einer der ehrenamtlich ganz Aktiven bei den Johannitern war“, sagt er heute. Auf dem neuen Posten war er vor allem „Zivi-Dompteur“, musste sich um alle Autos kümmern und Auslandstransporte nach Bosnien organisieren. Als kurze Zeit später der Kreisgeschäftsführer die Johanniter verließ, um einen lukrativeren Job in der freien Wirtschaft anzunehmen, liebäugelte Stefan mit dem Chefposten. Im Wesentlichen waren sich alle einig: Mit 21 war er viel zu jung für den Posten und außerdem etwas vorlaut. Aber weil er sich so engagierte und vor Tatendrang strotzte, gab man ihm eine Chance. Und Stefan nutzte sie. Er absolvierte etliche Fortbildung für Führungskräfte und ein mehrjähriges Fernstudium zum Sozialbetriebswirt. Damals arbeiteten nur fünf Hauptamtliche in der Dienststelle in Ravensburg. Doch wenn er denen mal ein ernstes Wort reden musste, konnte er vorher nächtelang nicht schlafen. Heute hat sein Verband 75 hauptamtliche Mitarbeiter und Stefan hat sich an seine Führungsposition gewöhnt. Seit ein paar Jahren ist er Mitglied bei „Round Table“, das ist eine Vereinigung von Männern zwischen 18 und 40 Jahren. Ziel des Clubs ist es, seinen Mitgliedern beruflichen und privaten Erfahrungsaustausch zu ermöglichen. Daneben geht es auch um den „Dienst an der Allgemeinheit“ in Form von Benefizaktionen etwa für die AIDS-Hilfe oder hilfsbedürftige Ravensburger Familien. „Round Table hat meinen Horizont unheimlich erweitert“, sagt Stefan, der über den Club viele neue Kontakte ins In- und Ausland gewonnen hat. Jungen Johannitern, die das Ziel haben, einmal Vorstand bei der JUH zu werden, rät Stefan, die Grundlagen des Wirtschaftens zu erlernen, zum Beispiel mit einer kaufmännischen Ausbildung. Ohne solche Grundlagen komme man heute nicht mehr aus, dafür habe ein Vorstand zu viel Verantwortung für geordnete Finanzen und sichere Arbeitsplätze. Und sonst? Das Rezept des zweifachen Vaters klingt bestechend einfach: „Nicht ducken, einmischen und interessiert durchs Leben gehen.“ Oliver Numrich

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