Ausbildung dank Ehrenamt

Sich ehrenamtlich engagieren und dabei kostenlos eine Ausbildung bekommen? Das ist bei immer mehr Angeboten für Freiwillige möglich. Ob als Ferienrettungsschwimmer bei der DLRG, als Freizeit-Bewährungshelfer oder als ehrenamtlicher Telefonseelsorger – ohne Fachwissen klappt so etwas nicht. Und das vermittelt der Projektträger in der Regel gratis. Bei der Berliner Freiwilligen-Agentur können Menschen, die sich engagieren wollen, aus 200 verschiedenen Projekten das passende auswählen. „Kinder und Senioren werden immer gern genommen“, erzählt Susanne Schwab von der Agentur, „weil sich das jeder zutraut.“ Naturschutz sei dagegen nur im Sommer gefragt. Für rund die Hälfte der Projekte im Börsenpool ist eine Schulung nötig. Manchmal besteht die nur aus ein paar Unterrichtsstunden am Wochenende, in anderen Fällen dauert die Weiterbildung satte anderthalb Jahre. Die Ausbildungen werden meist von den Einsatzstellen selbst durchgeführt und finanziert. Die Gegenleistung des Ehrenamtlichen ist seine Verpflichtung, die Tätigkeit über einen längeren Zeitraum durchzuführen. Manche Träger verlangen sogar die Erstattung der Fortbildungskosten, wenn einer den Dienst vorzeitig quittiert. „Eine Fortbildung ist aber keine Berufsausbildung“, schränkt Susanne Schwab ein, „man muss da genau zwischen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Aufgaben unterscheiden.“ Nach erfolgreichem Abschluss gibt es fast immer ein Zertifikat, das soziales Engagement und Weiterbildung beurkundet. So ein Dokument macht sich in jeder Bewerbungsmappe gut. „Die Interessenten möchten natürlich am liebsten sofort anfangen“, sagt Schwab, „und sehen die Schulung als zeitliche Verzögerung an.“ Doch bevor Hausfrauen, Rentner und Studenten etwa am Telefon Depressive beraten können, ist intensive Vorbereitung nötig. Bei der 1956 gegründeten Berliner Telefonseelsorge dauert die Ausbildung 19 Monate, jeweils 3 Stunden die Woche. Ab dem achten Monat geht’s an die Telefone. 130 Ehrenamtliche absolvieren hier mindestens 12 Stunden im Monat den Dienst am Hörer. „Erstaunlicherweise haben wir immer sehr viele Interessenten“, sagt Ausbilderin Sonja Müseler, „aber nicht jeder ist geeignet.“ Intensive Gespräche mit dem Bewerber zeigen, wie belastbar jemand ist und wie reflektiert er mit dem eigenen Leben umgeht. „Unsere 110 Freiwilligen reichen bei weitem nicht aus“, klagt dagegen Karin Krause von der Freien Hilfe Berlin e.V., „wissen sie, es gibt massenhaft Inhaftierte, die sich Betreuung wünschen.“ Seit 1990 kümmert sich die Freie Hilfe um Strafgefangene in Berliner Gefängnissen. Jeder der sich freiwillig engagiert, bekommt über zehn Wochen eine Einführung. Außerdem gibt es einmal im Monat Erfahrungsaustausch und eine Qualifizierungsveranstaltung. „Man muss nichts mitbringen“, sagt Karin Krause, „nur seine Motivation begründen.“ Auch hier erhält man einen Nachweis über die Ausbildung, außerdem einen Vollzugshelfer-Ausweis. Eine freiwillige Verpflichtung gibt es nicht. Jeder kann aufhören, wenn er sich beruflich verändert oder merkt, dass er überfordert ist. „Allerdings“, schränkt Krause ein, „wenn man einmal jemanden betreut, der noch drei Jahre Knast vor sich hat, dann sollte man ihn die ganze Zeit begleiten.“ Oliver Numrich

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