Rendsburg – 72 Fahrzeuge der Johanniter fahren täglich behinderte Menschen im Kreis Rendsburg-Eckernförde zur Schule und zum Arbeitsplatz, insgesamt 1,5 Mio. Kilometer im Jahr. Gewartet werden die Mercedes Sprinter, VW T4 oder Ford Transit von Behinderten in der angeschlossenen Kfz-Werkstatt. So haben immer alle etwas zu tun und profitieren von einander: Ein „Perpetuum automobilé“.
12:45 Uhr Treffen vor der Sonderschule „Hochfeld“ im Stadtteil Schleife, benannt nach der Auffahrt zur berühmten Eisenbahnhochbrücke: Freundlicher, roter Klinkerbau, viel Grün, Blick auf den Nord-Ostsee-Kanal. Hier parken schon 11 Transporter der Johanniter, die Fahrerinnen und Fahrer nutzen die Minuten vor dem Ansturm für einen Plausch bei einer Zigarette. Es sind Hausfrauen, Pensionäre, Zivis und Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahres, die den Behindertenfahrdienst der Johanniter zwischen Schleswig, Kiel und Neumünster sicherstellen. Man kennt sich, schätzt den Austausch, das gehört dazu. Gerade den Älteren geht es oft gar nicht so sehr um den Nebenverdienst, sondern um das gemeinsame Engagement. Auch für Bärbel Dimer, 53, Hausfrau und geringfügigbeschäftigte Fahrerin, ist der Kontakt zu ihren Arbeitskollegen wichtig: „Weil wir uns untereinander unheimlich gut verstehen und auch privat Sachen unternehmen.“ Allerdings sei es früher, als der Fahrdienst nur mit sieben Bussen fuhr, intimer gewesen: „Durch die Größe und die Menge der Leute ist es etwas anonymer geworden. Die jüngeren Fahrerinnen kenne ich gar nicht.“ Ob bei Hitze, Sturm oder Schnee – sie bringen ihre Schützlinge ans Ziel und wieder zurück, auch wenn es mal etwas länger dauert. Die meisten haben die JUH-Transporter zu Hause stehen, beginnen Montag bis Freitag von hier aus morgens die Tour Richtung Schule oder Behindertenwerkstatt. Die Route wechselt nicht, es sind jeden morgen die selben Fahrgäste, die nach und nach zuhause abgeholt werden bis alle neun Plätze besetzt sind. Gegen Mittag geht es in umgekehrter Richtung wieder zurück. 12:50 Uhr – Es ist soweit, 90 Schülerinnen und Schüler rennen mit Geschrei auf „ihren“ Kleinbus und „ihren“ Fahrer zu und wollen nur noch eins: so schnell wie möglich nach Hause. Wie jedes Kind freuen sie sich, wenn die Schule vorbei ist. „Aber sie freuen sich auch, wenn es morgens losgeht, weil es so eine schöne Gemeinschaft ist im Bus,“ sagt Bärbel Dimer. „Meine Kids kennen sich ja schon lange und sind untereinander unheimlich hilfsbereit.“ Nur manchmal, wenn es zu chaotisch zugehe, pfeife auch der Wind durch. Dann hat Mama morgens die Schleife am Schuh falsch zugebunden und jemand ist bockig. Mitunter müssen die Fahrer – wie bei anderen Kindern auch –streng sein und es setzt einen Anranzer: „Lass mal deine Stress von zu Hause vor der Tür. Die einzige die im Bus was zu sagen hat, bin ich,“ macht Dimer in solchen Fällen klar. Ihr Kollege Hans Kremer, 63, ist Rentner und seit drei Jahren dabei: „Das ganze Drum und Dran mit den Kindern macht mir Spaß“, sagt er, „nur manchmal muss ich ein bisschen schimpfen, wenn sie ausflippen oder wenn die Großen die Kleinen ärgern. Wenn sie sich hauen, kann ich das nicht hinnehmen, Hauen gibt es nicht im Bus.“ Der Behindertenfahrdienst der Rendsburger deckt den größten Kreis in Schleswig-Holstein ab, mit der Sonderschule Hochfeld und vier Behindertenwerkstätten des Diakonischen Werks. Insgesamt sind 69 Menschen beschäftigt, davon 55 Geringfügigbeschäftigte, 8 FSJ’ler, 4 Zivis, lediglich zwei Hauptamtliche: Dienststellenleiter Uwe Staschweski, 51, und halbtags, zuständig für Personal und Abrechnungen, Irmgard Mechela, 53. Seit dem 8. Juli 1981 ist der gelernte Speditionskaufmann Staschewski dabei; 13 Fahrzeuge hatten sie damals. „Hallo Stasi“, wird er lautstark in der Druckerei begrüßt – in den Einrichtungen kennen ihn alle. 1,5 Millionen Kilometer fährt seine Kolonne jedes Jahr zusammen, die weiteste Fahrt ist 120 Kilometer lang (je Richtung), die kürzeste 20. Alle Fahrten müssen in Fahrtenbüchern dokumentiert und mit den einzelnen Einrichtungen exakt abgerechnet werden. Die Fahrzeuge werden einmal im Jahr vom TÜV untersucht, Autos, die älter sind als drei Jahre, alle halbe Jahre und Busse für mehr als 9 Fahrgäste sogar jedes Vierteljahr. Die Dienststelle befindet sich seit Juli 2002 in der Büsumer Straße 135, direkt neben der einer Rendsburger Behindertenwerkstatt. 180 Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen und Befähigungen arbeiten in dem hellen, sternförmigen Gebäude: In der Holz- oder Elektrowerkstatt, in Druckerei, Schlosserei oder Hauswirtschaftsabteilung. Das Besondere: Es gibt sogar eine Kfz-Werkstatt mit zwei IHK-geprüften Meistern, die alle 72 Fahrzeuge der Johanniter reparieren. Von kleineren Schönheitsreparaturen (ausdellen, abgefahrene Spiegel anschrauben) bis zum Unfallschaden wird hier alles erledigt, was außerhalb der Fahrzeuggarantie anfällt. Die Johanniter profitieren so von einer eigenen Fachwerkstatt gleich nebenan und die gehandicapten Mechaniker haben immer etwas zu tun. Denn obwohl Staschweskis Truppe alle drei Jahre beim Fahrsicherheitstraining der DEKRA Vollbremsung und das Fahren auf nasser Fahrbahn trainiert, ereignen sich jedes Jahr rund 20 Unfälle. „Aber in den 22 Jahren in denen ich hier bin, zum Glück nur Blechschaden“, sagt Staschwewski. Und für diese Fälle gibt es ja die netten Kollegen von der Werkstatt. Oliver Numrich
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