Tanz über die Planche: Johanniter, Mediziner und Fechter

Er macht Schluss mit dem Klischee vom dicken, vollbärtigen Rettungsbären: Stephan Baum ist Rettungsassistent bei den Johannitern, Medizinstudent und einer der besten Fechter Deutschlands. Gewichtsprobleme kennt der 26-Jährige nicht, schließlich absolviert er täglich zehn Kilometer Waldlauf und trainiert bis zu sechs Mal in der Woche, damit er im Sommer nach Peking reisen darf.

Stephan Baum in Fechtmontur
Stephan Baum in Fechtmontur

Stephan Baum ans Telefon zu bekommen ist wirklich eine Herausforderung. Denn der 26-jährige Medizinstudent ist im Nebenjob nicht nur Rettungsassistent bei den Johannitern, sondern auch Hochleistungssportler und dadurch fast nie zuhause. Nur sonntags oder spät in der Nacht kriegt man an ihn an die Strippe und kann mit ihm über seine exklusive Sportart reden: Das Fechten. Fechten gehört neben Boxen und Ringen zu den ältesten Kampfsportarten der Menschheit. Doch ihre Vertreter in den weißen Anzügen, mit Drahtmaske und gezücktem Florett erinnern heute eher an einen Stormtrooper aus Stars Wars als an einen Hochleistungssportler. Bonn ist das Epizentrum der deutschen Fechter, denn hier befinden sich der Olympiastützpunkt und das Bundesleistungszentrum. Und so wundert es nicht, dass es in der Schule von Stephan Baum eine Fecht-AG gab, die von Ute Wessels geleitet wurde, der Gewinner der Fecht-Goldmedaille von 1984. „Am Anfang ist der Erfolg nicht das Wichtigste, sondern erstmal die Leute, der Spaß am Bewegen“, sagt Baum, „aber wenn man dann das erste Mal bei einem Turnier einen guten Platz macht, kriegt man Lust zu Gewinnen.“ So wurde er Mitglied im Olympischen Fechtclub Bonn (OFC) und investierte mehr und mehr Zeit in die exklusive Sportart. Heute attackiert und pariert er seine Sparringspartner bis zu sechsmal in der Woche und bestreitet acht bis zehn Wettkämpfe und weitere zehn bis 15 Übungswettkämpfe im Jahr. Begleitet wird er meistens von seinem Vater, der, nachdem er seinen Sohn jahrelang zu Turnieren chauffierte, eine Schiedsrichterlizenz erwarb und ihn mittlerweile coacht. Zusätzlich zum Fechttraining in der Halle joggt Baum jeden Tag vor der Uni zehn Kilometer durch den Wald, denn Kondition ist auf der Planche, der 14 Meter langen Fechtbahn, ebenso wichtig wie Konzentration und Zielgenauigkeit, überhaupt Nervenstärke. Das sind genau jene Fähigkeiten, die er später als Arzt ebenfalls unter Beweis stellen muss. Eine gute Kondition ist auch bei seinem Nebenjob, dem Rettungsdienst im RV Bonn-Euskirchen, nicht unvorteilhaft. Murphis Gesetz für den Rettungsdienst lautet schließlich: Je kranker und dicker ein Patient, umso weiter oben wohnt er im Haus. Baum ist sich sicher: „Der intensive Sport hat meinen Rücken gerettet. Deshalb empfehle ich es allen Kollegen: Macht viel Sport zum Ausgleich fürs Tragen.“ Der Nebenjob beim Rettungsdienst passt gut mit dem Studium zusammen, denn durch die langen Nachtdienste kommt er zügig auf seine Stunden. Zügig ist eines von Baums Lieblingswörtern, schließlich muss er seinen Alttag effizient organisieren. Für andere Hobbys wie Tennisspielen oder Tauchen, für die Freundin oder gar Fernsehen bleibt fast keine Zeit. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist sein größter Wunsch, für den er schon mal eine Stunde später ins Bett und stattdessen trainieren geht. Doch das Ticket nach Peking ist längst nicht sicher. Bis jetzt fährt noch kein Deutscher, denn erstmal müssen sich die deutschen Herrendegenfechter überhaupt qualifizieren und danach wird intern ausgekämpft, wer hin darf. Die Punktejagd hat gerade erst begonnen. Oliver Numrich

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