Backkurse im Schlosshotel im Grunewald: Geschmack muss man erahnen

Jugendbild des Bloggers nach einem Backseminar im Schlosshotel im Grunewald.

Tief im schwarzen Westen, zwischen monströsen Stadtpalais hinter gemauerten Zäunen, beherbergt das Schlosshotel im Grunewald die exklusivsten Berlintouristen. Die 54 Zimmer und Suiten wurden von Karl Lagerfeld persönlich mit Lyoner Seidentapeten und 5.000 Blättern Gold zur Pomp-Oase transzendiert. Hier logieren Leonardo di Caprio und die deutsche Nationalmannschaft. Doch ab und an öffnet sich das hohe Haus für Normalsterbliche und lädt ein zur „Tea Time“ in die Lobby, zur „Küchenparty“ oder zum extravaganten Backkurs in der hauseigenen Schlosspâtisserie. Im dreistündigen Backseminar verrät Hotelküchenchef Jörg Behrend 20 Interessierten Tricks und Kniffe, wie das Weihnachtsgebäck noch besser gelingt.

Trotz Teilnahmegebühr von 42,- Euro, ist der Kurs ausgebucht. Zur Begrüßung reicht man Champagner, der zur Freude der rasch beschwipsten Teilnehmer von drei aufmerksamen Kellnern ständig  nachgeschenkt wird. Zwei Zuckerbäcker der Edelkonditorei Le Nôtre assistieren dem Küchenchef. An Stelle von Schürzen stülpen sich die Teilnehmer weiße Regencapes über, dann geht es los. Auf dem Küchenzettel stehen Vanillekipferl, Spekulatius, Lebkuchenhäuschen, Canachecremetorte und Pralinées. „Ich komme regelmäßig zu „High Tea & Fashion“ ins Hotel“, sagt die Frau eines südamerikanischen Diplomaten, „jetzt interessieren mich deutsche Kekse.“ An drei Arbeitstischen bleibt den Teilnehmern genug Zeit für Gespräche, denn die Teige sind bereits geknetet – die Vanillekipferl müssen nur geformt und die Spekulatius ausgestochen werden, dann balancieren die Profis die vollen Bleche in den Backofen.

Eine Dame hat sich diesen Nachmittag zum Geburtstag schenken lassen: „Ich liebe Kochkurse!“ Berlin habe sich da entwickelt: Immer mehr gute Restaurants und häufiger Gelegenheiten, renommierten Köchen über die Schulter zu schauen. Die Lebkuchen für die Hexenhäuschen hat Le Nôtre aus dem KaDeWe mitgebracht, die Teilnehmer brauchen bloß die fertig befüllten Spritztüten ansetzen und die Bauteile mit Zuckerschaum verleimen. Nach kurzer Trockenzeit werden die Häuser mit bunten Schokolinsen, Haselnüssen und Liebesperlen großzügig verziert. Das gelingt sogar den zwei männlichen Backnovizen. Der eine macht mit, weil seine Freundin mal von ihm einen Kuchen gebacken bekommen will und er das jetzt endlich lernen soll. Der andere ist hier, weil er die Hotelbar „Le Tire-Bouchon“ schätzt und ihm dort der Backkurs nahegelegt wurde, um im Plauderton nette Bekanntschaften zu machen. Als sein Lebkuchenhaus plötzlich in sich zusammenstürzt, parliert er unbekümmert weiter, ohne die Ruine zu beachten. Zeit für die Torte. „Kommen se ran, tut nicht weh, macht nicht dick“, trommelt Konditor Wolfgang Hinz und spricht die Unwahrheit. Denn er zeigt, wie zarter Biskuitboden gleichmäßig geschnitten und Trilliarden Kalorien schwere Schokoladen-Ganache aus Kuvertüre, Sahne und Butter mit dem Spatel hübsch dick aufgestrichen wird.

„Nehmen sie nicht so viel Rum, dass man gleich von der Couch fällt“, empfiehlt Hinz, „Geschmack muss man erahnen.“ Eine Teilnehmerin aus Potsdam hat ein Dejavu: „Sie sieht aus wie die Concerto-Torte im KaDeWe!“ Raunen, Zustimmung im Publikum, Freude, als Konditor Hinz die Ähnlichkeit bestätigt. Als es schließlich ans Konfekt geht, ist die Stimmung prächtig. Wissbegierde und Appetit der Teilnehmer sind weiterhin ungezügelt. Es ist bereits Abend als die lukullisierten Schüler schweren Herzens vom Schlosshotel ablassen und nach und nach samt Hexenhaus in den dunklen Grunewald hinaus staksen. Die verschnittenen Torten, die Lebkuchentrümmer und übrig gebliebene Leckereien rettet eine engagierte Luxusgüterhändlerin in eine wohltätige Kinderküche nach Spandau.

1 Kommentar

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    ich habe vor einigen Jahren die Concerto-Torte aus dem KdW kennen gelernt und mich darin verliebt. Immer wenn ich in Berlin bin (leider nicht so oft) führt mich mein Weg ins KdW um mir ein Stück dieser Torte zu gönnen. Gibt es irgendwo dieses Rezept oder vielleicht ein Ähnliches?
    Das wäre fantastisch.

    Herzlichen Dank und viele Grüße

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