Über Kräheneltern und Rabenfüße

Spätestens seit Edgar Allen Poes Nevermore-Gedicht traut man Raben und deren kleineren Ausgaben, den Krähen, hohe Intelligenz, ja, magische Kräfte zu. Tatsächlich hat die Wissenschaft erst Anfang des Monats mit neuerlichen Testreihen belegt, dass sie zu den intelligentesten Vögeln gehören, weil sie Werkzeuge benutzen, um an Futter zu kommen, und Vorräte für den nächsten Tag anlegen. Obwohl die frechen Federtiere die erstaunliche Fähigkeit haben, menschliche Worte und sogar kurze Sätze nachzusprechen, erfreuen sich Raben und Krähen keiner großen Beliebtheit – weder bei der Stadt- noch bei der Landbevölkerung. Schon längst werden sie nicht mehr, wie einst vom nordischen Gott Odin, von Konrad Lorenz und Alfred Hitchcock als Haustiere gehalten. Das ist höchst bedauerlich. Denn die Alles- und Aasfresser sorgen dafür, dass sämtliche organischen Abfälle aus den städtischen Mülleimern verwertet werden und kranke Viadukttauben ein schnelles Ende finden. Gesunde Kälber hingegen lassen sie in Ruhe – auch wenn ängstliche brandenburger Landwirte immer wieder anders lautende Gerüchte streuen. Die stolzen Stadtkrähen lieben die hohen Häuser rund um den Potsdamer Platz und stürzen sich von dort in die Tiefe, um vor den Augen der eingepferchten Bürohengste elegant herab zusegeln. Es ist der größte Verdienst dieser autonomen Freigeister, den Bustouristen und den Managern der anliegenden Heuschrecken- und Rüstungsfirmen den Gang über die Alte Potsdamer Straße zu verderben, indem sie diesen Nicht-Ort mit einer dicken weißen Schicht zudecken. Oliver Numrich

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