Deutschland sucht die Super-Uni: Danke, teure Exzellenz

Die Berliner FU schafft es in der ersten Runde des Exzellenzwettbewerbs tatsächlich unter die ersten zehn. Doch hinter den Kulissen sieht es trübe aus: Am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften fehlt die Hälfte der Professoren. Weite Wege, überfüllte Seminare und unablässig streikende Studenten – der Freien Universität (FU) eilt der Ruf einer chaotischen Massen-Uni voraus. Doch jetzt wird das rostige Labyrinth in Dahlem möglicherweise zur Elite-Anstalt des deutschen Bildungswesens: Nicht wie erwartet die Humboldt-Universität, sondern deren Schwester FU ist in der zweiten Runde des Exzellenwettbewerbs, den Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) und Wissenschaftsrat (gibt in allen Unterlagen kein Kürzel) im Auftrag des Bundes ausgelobt haben. Dabei geht es um insgesamt 1,9 Milliarden Euro Fördergelder, von denen ein Großteil in der so genannten dritten Förderlinie vergeben wird. Die trägt den Titel Zukunftskonzepte zu universitärer Spitzenforschung“ und verlangt von den Unis mindestens ein Wissenschaftliches „Exzellenz-Zentrum“ sowie eine Graduiertenschule. Darüber hinaus müssen die Hochschulen Strategien für weltweit anerkannte „Leuchttürme der Wissenschaft“ vorweisen, damit, so heißt es in der Ausschreibung, „der Universitäts- und Wissenschaftsstandort Deutschland dauerhaft gestärkt und vorhandene Exzellenz besser sichtbar gemacht werden.“ Vor kurzem war an der FU jedoch etwas ganz anderes sichtbar: schlechte Stimmung. Zeitungen berichteten von den schwierigen Studienbedingungen am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften (IPK), die „Zeit“ hatte in einer Studie die schlechte Betreuung der Bachelor-Studenten durch den Lehrkörper bemängelt. Dann wurde von den Studenten selbst der Personalnotstand ausgerufen. Das IPK sei schon seit langem chronisch überlastet und personell schlecht ausgestattet, klagen sie. Innerhalb der letzten vier Jahre hat das Institut die Hälfte seiner Professoren durch Emeritierung, Krankheit oder Tod eingebüßt und ist personell mittlerweile so ausgedünnt, dass es seinen Lehrbetrieb kaum Aufrecht erhalten kann. Nachbesetzt wurden die Stellen zunächst nicht. Rund 2.700 Studis kämpfen jetzt um Sitzplätze in überfüllten Seminaren und um Blickkontakt mit einem der vier Professoren. „Ich zweifle mittlerweile an der Qualität meiner Ausbildung und erst recht an Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Christian Raberi. Der 26-Jährige studiert im fünften Semester am IPK und hofft, später bei Fernsehanstalten oder Verlagen unterzukommen, „so in Richtung Medienmanagement.“ Doch gerade das ist das Problem: Der Lehrstuhl für Kommunikationspolitik und Medienökonomie ist seit über zwei Jahren unbesetzt. Für Kutschkau und seine Kommilitonen bedeutet das, dass sie ihre ursprüngliche Planung über den Haufen werfen und ihren Studienschwerpunkt vergessen können. Die übrig gebliebenen Professoren brechen unter der Arbeitslast zusammen. Ein Kollege bittet die Teilnehmer zu Semesterbeginn um Kooperation: „Wenn sie diesen Schein nicht dringend machen müssen, belegen sie bitte ein anderes Seminar – es ist sonst zu voll.“ Referate werden in Gruppen von der Größe einer Fußballmannschaft gehalten, Hausarbeiten von mehreren Studenten gemeinsam geschrieben, die Sprechstunden sind überfüllt und dabei Wartezeiten von bis zu zwei Stunden üblich.

Leuchttürme der Wissenschaft?
„Wir standen Anfang des Jahres kurz vor dem Exitus, hätten fast das Institut schließen müssen“, sagt Hans-Jürgen Weiß, geschäftsführender Direktor des IPK, „jetzt befinden wir uns in einer Aufbruchsituation.“ Viele Probleme sind hausgemacht: Alte Professoren, die schnell hintereinander ausschieden, Nachbesetzungen, die nicht zügig angegangen wurden. Brisant wurde die Situation aber durch die Konkurrenz innerhalb des Fachbereichs Politik und Sozialwissenschaften, zu dem neben der Publizistik auch die Institute für Politikwissenschaft, Soziologie und Ethnologie gehören. „Als Fach Nummer Zwei führen wir ein Schattendasein am Rande der großen Politikwissenschaft“, klagt Weiß. Bei der Politikwissenschaft dagegen ist das Exzellenz-Cluster „Governance in a Globalized World“ angesiedelt  –  ein wesentlicher Bestandteil der nächsten Bewerbungsstufe um Fördergeld. Hier mit Professorenstellen zu knausern, kommt für Dekanat und Präsidium nicht in Frage, schließlich soll gerade da die Exzellenz bewiesen werden. Selbst wenn die FU eine Elite-Uni würde, glaubt der Professor nicht daran, dass sein Institut davon profitiert. Wolf Dermann, Publizistik-Student und Mitglied der Kommission für Lehrangelegenheiten von Akademischem Senat und Präsidium, sieht das nicht ganz so pessimistisch: Natürlich würde das Geld aus dem Wettbewerb hauptsächlich der Forschung zufließen, „aber wenn weniger Druck im Portemonnaie herrscht, bleibt auch mehr Geld für die Lehre übrig.“ Doch schon jetzt, sagt Dermann, profitiere das Publizistik-Institut von der Exzellenz-Initiative. Denn dem IPK wurden drei zusätzliche Vakanzprofessuren genehmigt Dermann vermutet dahinter allerdings Kalkül: Das Präsidium kann jetzt keine Unruheherde gebrauchen. Wieder einmal protestierende Studenten an der FU  –  dieser Anblick soll den Gutachtern erspart bleiben, die in diesen Tagen erwartet werden…  Oliver Numrich

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