
Mini-Popcorn aus Ur-Mais, also aus einer lange vergessen Maissorte, herzustellen, ohne Schalen, die zwischen den Zähnen stecken bleiben – das war die Gründungsidee für „True Popcorn“ von Uwe und Sascha aus Köln. Ich habe die beiden Entrepreneurs dieses Jahr (2019) auf der ISM Cologne kennengelernt und war vom Geschmack ihres Popcorns gleich begeistert. In meinem Gespräch mit Uwe geht es um die Herausforderungen beim Gründen seines Food Start-ups.
naschkater.com: Das Team von True Popcorn besteht aus Sascha und Dir, Uwe. Gibt es noch mehr, die mithelfen?
Uwe Meis: Ich und Sascha sind die beiden Gründer von True Popcorn aus Ur-Mais. Wir haben noch zwei Vertriebler, die für uns den Vertrieb gerade professionalisieren. Sascha und ich entwickeln das Unternehmen weiter, Stichwort: Business Design anstatt Business Administration. Wir machen also das Marketing und Office Management selbst. Unterstützt wurden wir letztes Jahr von einem Freelancer aus Amsterdam, der uns bei allen Fragen ums Internet und Markenauftritt geholfen hat. Des Weiteren haben wir eine Freelance Illustratorin die uns ab und zu zuarbeitet und natürlich eine gute Steuerberaterin, die auch eine gute Freundin ist.
naschkater.com: Ihr habt schon früher zusammen gegründet ? War das auch im Lebensmittelbereich?
Uwe Meis: Nein, Sascha und ich sind seit nun knapp 20 Jahren auch privat ein Paar und können uns blind vertrauen. Wir funktionieren sowohl beruflich als privat sehr gut zusammen. Von 2004 bis 2012 hatten wir eine 500qm große Familienvideothek in Bergisch Gladbach. Mit dem Verkaufserlös starteten wir ein neues Business. In unserer Videothek haben wir damals sehr viel Popcorn verkauft. Wir stellten fest das die laufende Popcornmaschine so einen tollen Geruch im Geschäft und davor erzeugte, dass wir dadurch immer wieder Kunden anlockten, die eigentlich gar nicht ins Geschäfts kommen wollten.
So beschlossen wir, die Popcornproduktion auszuweiten und zu verbessern. Die Recherche weltweit begann. Wir wollten herausfinden wo der Ursprung des Popcorns liegt und kamen immer wieder nach Südamerika zurück, wo der ursprüngliche Ur-Mais, den wir ausschließlich verwenden, herkommt. So kamen wir zu den Amisch, im mittleren Westen der USA, wo mehreren Familienbauernbetriebe sich zu einer Farmerkooperative zusammen getan haben und die alten & ursprünglichen Puffmaissorten hegen und pflegen. Diesen haben wir importiert, zunächst in kleinen Mengen um die Rezepturen hinzubekommen, wie wir uns das vorstellten. Danach erfolgten Verköstigungen, Messen und Märkte, Veranstaltungen unterschiedlicher Art, um heraus zu finden wie es bei den Menschen ankommt. Schnell merkten wir das müssen alle probieren.

naschkater.com: Von der ersten Idee bis zum Prototyp ist es ein weiter und kostspieliger Weg. Habt ihr andere Jobs sofort an den Nagel gehängt oder erstmal nebenberuflich gegründet?
Da wir schon durchgehend seit 2005 Selbstständig arbeiten, machen wir das von Beginn an in Vollzeit. Die Finanzierung erfolgte komplett eigenfinanziert, ohne Investor oder Bankkredit. Zum Hintergrund: Wir haben knapp neun Monate mit Banken verhandelt, Businesspläne geschrieben und sehr viel Zeit & Geld ausgegeben um dann doch keinen Kredit zu bekommen. Angeblicher Grund war seitens der Bank das fehlende Eigenkapital und das hohe Risiko im Lebensmittelbereich. Ein Unternehmensberater begleitete uns bei diesem Weg und ein Investor aus dem Lebensmittelbereich hat uns dahingehend beraten, dieser ist aber nicht in unser Unternehmen involviert.
naschkater.com: Was war die größere Hürde: Die Realisation unserer Idee oder das Geld aufzutreiben?
Uwe Meis: Das Geld aufzutreiben war die deutlich größere Hürde, denn selbst mit einem guten Businessplan, einem professionellen und sicheren Auftreten, können die Banken sich die „Perlen“ rauspicken von denen sie meinen, die bringen nachher die Gewinne ein.
naschkater.com: Welche speziellen Angebote für Gründer haben wir in Anspruch genommen?
Uwe Meis: Wir haben 2017 bei der NUK in Köln den Businessplanwettbewerb mitgemacht. Diverse Coachings in Anspruch genommen und in Dortmund beim Start2Grow Businessplan Wettbewerb 2018 den 3. Platz belegt. Auch die IHK Köln hat uns die Zeit über begleitet und beraten, sowie bei neuen und offenen Fragen geholfen.
naschkater.com: Wie wichtig ist uns der Austausch mit anderen Food Gründern?
Uwe Meis: Zu Beginn war es uns sehr wichtig. Man lernt immer etwas dazu wenn man sich mit anderen Gründern austauscht und auf Veranstaltungen geht. Letztlich muß man aber selber Vollgas geben und was bei anderen funktioniert ist eine gute Inspiration allerdings lässt sich dieser Erfolg meistens nicht kopieren. Dennoch ist Austausch wichtig. Wenn das Start-up den ersten gut funktionierenden Vertriebskanal aufgetan hat, dann gilt es diesen zu verbessern und zu verfolgen. Oft hat man dann gar nicht mehr die Zeit groß und aufwändig zu netzwerken. Es gilt unserer Meinung nach dann das Motto: Stetig schrauben und ändern bis es funktioniert. Und vor allem Ausdauer beweisen und sich nicht abbringen lassen wenn man merkt es funktioniert.
naschkater.com: Popcorn ist ein sehr günstiges Produkt, wieviel muß man davon umsetzen um seine Investitionen wieder reinzukriegen?
Uwe Meis: Das kann pauschal nicht beantwortet werden. Popcorn hat eine gute Gewinnspanne, aber eine eigene Produktion sprengt in Deutschland den Finanzrahmen. Man muß bedenken, dass Mais nicht gleich Mais ist. Unser Ur-Mais ist in dem Anbau viel aufwändiger zu pflegen, nämlich in Handarbeit, und kostet daher dreimal soviel pro Kilogramm wie handelsüblicher Puffmais aus Südfrankreich. Die Anbaumethoden in Südfrankreich haben uns nicht überzeugt und dort kann der Ur-Mais nur in sehr aufwändigen Zuchthäuser in ganz kleinen Mengen angebaut werden – er muß südlich des 40. Breitengrades angebaut werden aufgrund der klimatischen Verhältnisse.
naschkater.com: Sollte man als Start-up selber produzieren oder produzieren lassen?
Uwe Meis: Man sollte auf sogenannte Lohnhersteller zurückgreifen, die schon die Produktionsstätte und die Maschinen und auch Herstellunskapazitäten besitzen. Machst Du alles alleine und baust dir eine eigene Produktion auf, hast du durch die gesetzlichen Vorgaben eine viel zu hohe Anfangsinvestion die den Breakeven immer wieder nach hinten schiebt. Der Lohnhersteller hat alle nötigen Zertifikate für die Herstellung wie das IFS-Zertifikat und kann bis zu einer Million Beutel Pro Monat herstellen. Dies mit einer eigenen Produktion hinzubekommen ist fast unmöglich.
Dagegen stehen die Vorteile der eigenen Produktion: Bei einem Antrag auf Bankkredite hat man bessere Chancen, da die Bank etwas zum pfänden hat. Lagert man die Herstellung aus, so besitzt man keine eigene Produktion und die Bank hat keine Sicherheiten, es gibt – meistens – kein Geld. Eine Popcornmaschine und ein kleines Labor haben wir zuhause. Dort erfolgten die ersten Rezepturen und Rezepte sowie Testläufe für Testkunden. Alles andere haben wir ausgelagert, damit wir uns auf das ständige verbessern unseres Start-up konzentrieren können.
naschkater.com: Wie vermarktet Ihr Euer Popcorn? Welche Kanäle bespielt ihr und wie viel von Eurem Budget geht dafür drauf?
Uwe Meis: Wir vermarkten telefonisch, zum Beispiel an Caterer, Freizeitparks, Mensen, Kioske, Schulen, Kitas, Unverpackt-Läden und so weiter durch Kaltaquise. Täglich telefonieren, bemustern und dann anrufen, nachfragen wie es angekommen ist. Dann erfolgt bei einigen Kontakten die Bestellung per Mail oder Anruf. An die Endkundschaft verkaufen wir eine kleine Menge über Foodstarter und unseren Webshop, ein paar REWE Märkte und sind bereits Marktführer mit Popcorn an Schulen. Ein bißchen Social Media machen wir auch, am aktivsten sind wir auf Instagram mit knapp 8.000 Followern, ohne einen Euro Werbebudget bis dato ausgegeben zu haben. Da wir komplett eigenfinanziert sind, geht alles für die Firma drauf und private Kosten für Miete, KFZ und so weiter sind gedeckelt.
naschkater.com: Lohnt sich der Direktvertrieb über einen eigenen Onlineshop eigentlich oder sollte man als Gründer die ganze Kraft in Kontakte zum Handel stecken?
Uwe Meis: Jein, jedes Start-up sollte einen eigenen Webshop besitzen oder hosten lassen, da es sehr wichtig ist das du online direkt gefunden wirst – unabhängig von den Kontakten zum Handel. Einen Onlineshop aufzustellen der gut aussieht und funktioniert kostet heutzutage ein bis drei Wochen Arbeitszeit. Bezug nehmend auf die Frage der Kontakte zum Handel müssen wir klar und deutlich sagen, dass es sehr schwierig ist, im Supermarkt den Überblick zu behalten. Man braucht einen starken Vertrieb, der die Ware kontrolliert, zu den Märkten fährt und nachhakt und verkauft. Die Beziehungen zu jedem einzelnen Supermarkt-Betreiber muß gepflegt werden! Daher verfolgen wir diese Strategie momentan nicht mehr.
Wir setzen auf andere Kanäle wie Schulen und Mensen, sowie Snackautomaten. Dort verkaufen sich die Produkte viel schneller. Zum Vergleich: 40 Beutel am Tag pro Schule und 2,5 Beutel pro Woche im Supermarkt – bei viel geringeren Kosten. Die Schüler und Arbeitnehmer an diesen Verkaufsstellen sehen sich nicht mit 100 anderen Snackprodukten im Regal konfrontiert. Bei den Schulen, Universitätsmensen oder Firmenkantinen schaut der Betreiber ganz genau, welche Produkte er überhaupt reinnimmt. Bei Supermärkten oder Drogeriemärkten ist ein weiteres Problem, dass diese oft die Start-up-Produkte ausprobieren möchten, aber dann diese Idee einfach kopieren und als Eigenmarke machen. Die Listung in einer Supermarktkette gehört mit zu den schwierigsten und kostenintensivsten Aufgaben eines Food-Start-ups.
naschkater.de: Wann plant ihr den Break Even und was muss dafür noch passieren?
Uwe Meis: Unseren Break Even planten wir zu Beginn nach 18 Monaten – das wäre im Juni 2019 gewesen. Nun liegt er durch die Eigenfinanzierung erst einmal auf dem Frühjahr 2020. Grundsätzlich sollte man beachten, dass Businesspläne in den seltenstenen Fällen so auch umgesetzt werden. Es gibt einfach zu viele unplanbare Komplikationen und auftretende plötzliche Hürden, als das sich das geplante so immer umsetzen ließe – Businessplan versus Realität…
naschkater.com: Lieber Uwe, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Hier geht es zum True Popcorn-Shop!
Start-up-Genese
Das aktuelle Projekt True Popcorn von Uwe und Sascha knüpfte nicht direkt an die Videothek an. Vielmehr betrieben die beiden Serien-Entrepreneurs von 2012 bis 2014 einen Dropshipping Online Shop für Konsumgüter, von 2014 bis 2016 ein Kunstprojekt in Bergisch Gladbach mit eigenem Atelier & Showroom, unter den Namen „Jack the Flipper“, wo sie Kunstgemälde & Fotografien ausstellten und verkauften. Von 2014 bis 2017 haben sie als selbstständige Fotografen im Bereich Gewerbefotografie für Arztpraxen, Industriebetriebe und Weinkellereien gearbeitet. Als 2017 nicht genug Kunden gewonnen werden konnten, kam True Popcorn.
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