
Eigentlich hatte Daniela Dittberner eine gut bezahlte Stelle als Betriebswirtin. Aber als sie das leerstehende Ladenlokal in der Berliner Schreinerstraße 15 entdeckt – direkt gegenüber dem kleinen Kinderspielplatz – war klar: hier verwirklicht sie ihren lang gehegten Traum vom eigenen Süßigkeitenladen: Das Naschhaus!

Süßigkeitenläden kennt sie aus den regelmäßigen Familienurlauben in Schweden. Dort ist es üblich, dass die ganze Familie am Süßigkeiten-Samstag („Lördagsgodis„) Naschzeug einkaufen geht und anschließend verputzt. Und deshalb gibt es hier wohl auch die weltweit höchste Dichte an Bombongeschäften! Zentraler Bestandteil jedes Ladens ist die „Pick and Mix„-Station aus Klappschütten mit hunderten verschiedener loser Teile wie Fruchtgummi, Schaumzucker, Lakritz oder Schokolade. Der Kunde entnimmt mit Schaufeln und Zangen, was ihn anlacht, bezahlt entsprechend Gewicht.
Seit Mai 2017 ist das Berliner Naschhaus nun geöffnet und bietet nicht nur 150 verschiedene süße Pfenningartikel aus ganz Skandinavien an, sondern auch Tafelschokoladen, Dill-Chips, Lollies, Marshmallows, Schokowaffeln, Bonbons und Brausepulver.
Ice Pops: Veganes Eis am Stil nach eigenen Rezepten
In den Sommermonaten gibt es außerdem selbst gemachtes, veganes Eis am Stil. Eigene Rezepte für neue Eissorten zu entwickeln, bereitet Dittberner am meisten Freude. „Das Eis macht mir richtig Spaß! Es hat mehr Seele als fertige Produkte, weil ich es selbst herstelle.“ Sie hat dazu ein Seminar besucht und probiert vieles aus. „Wenn eine neue Kreation bei meinen Kunden gut ankommt, freut mich das total.“
Umgekehrt trifft es sie besonders hart, wenn eine Sorte durchfällt. Ein Riesenerfolg wurde das Gurke-Limette-Eis, obwohl es sich anfangs nur schleppend verkaufte. Aber nachdem die „Gelatière“ es immer wieder angepriesen hat und die Kunden ihre Skepsis überwinden hatten, wurde es zur meist verkauften Eissorte. „Das war so ein Glücksmoment, für den ich diesen ganzen Laden eigentlich betreibe.“

Schwedischer Smashhit: Süß-salziger Knuspersnack
Ebenfalls von einem Ladenhüter zu einem Superstar entwickelte sich ein populärer schwedischer Snack: Smash! von OLW aus salzigen Tornado-Chips, die mit Schokolade überzogen sind. Die Schokolade schmeckt erstmal süß, aber die knusprigen Chips geben dann beim Kauen ihr salziges Aroma dazu – eine wahres Feinschmeckermenü für Naschkatzen! „Die erste Kiste mit 21 Tüten Smash! habe ich fast komplett selbst essen müssen, weil sie keiner gekauft hat“, sagt die 37-Jährige.
Aber nach viel Überzeugungsarbeit und Gratis-Kostproben ist Smash! ein echter Hit geworden. „Jetzt muss ich jeden Monat mehr davon bestellen und es reicht trotzdem nicht.“ Weitere Bestseller sind die Tafelschokoladen von Marabou, von denen es im Naschhaus über 30 verschiedene Sorten gibt, darunter auch ausgefallene wie mit Lakritze, Minze oder gesalzenem Fudge. Auch vegetarische und vegane Produkte werden viel nachgefragt.
Lokale Marketing-Aktivitäten zahlen sich aus
Am Anfang hat Daniela Dittberner viel in Stadtteilzeitungen und Kiezbroschüren geworben, außerdem jedes Jahr ein kleines Nachbarschaftsfest mit Verkostungen und Kinderschminken und dafür auch Plakate aufgehängt. Auch in Social Media ist sie auf Facebook und Instagram aktiv. Im Laden lässt der durchschnittliche Kunde 4,00 €. Wenn jemand für eine schwerere Tüte oder Geschenkartikel 15,00 € ausgibt, dann ist das schon ein Großeinkauf. Um den durchschnittlichen Umsatz zu erhöhen, hat Daniela Dittberner eine Bonuskarte eingeführt: Bei jedem Kauf über 5€ gibt es einen Stempel auf die Kundenkarte und nach zehn Stempeln eine Süßigkeitentüte geschenkt! Aufgrund der Lage – Parkplätze sind Mangelware – kommen die meisten Kunden zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Entsprechend gut ist das Naschhaus im Kiez verankert – etwa 80% der Einkäufer sind Stammkunden aus der näheren Umgebung, 20% Touristen aus anderen Stadtteilen oder Ländern.

Das Berliner Naschhaus macht mehr Arbeit als gedacht
Doch der Laden macht viel mehr Arbeit, als Dittberner ursprünglich angenommen hatte. An erster Stelle steht selbstverständlich die Beratung und Bedienung der Kunden, das Wiegen, Kassieren und Verpacken. Außerdem muss täglich Ware nachbestellt, angenommen, ausgezeichnet und verräumt werden. Es muss ständig geputzt werden, denn schließlich werden im Naschhaus lose Lebensmittel verkauft und da braucht es eine Grundhygiene. Neben dem Boden und Regalen erfordern auch die Schütten und insbesondere deren Klappen viel Pflege, weil sie vom Bienenwachs der Fruchtgummis schnell verschmiert aussehen.
„Letztendlich hatten wir hohe Investitionskosten – höher als geplant! Und das, obwohl ich Betriebswirtin bin“, gibt Dittberner zu. Laden renovieren, Waren kaufen, Werbung schalten, Waage eichen, Berufsgenossenschaft, IHK, Finanzamt – alle wollten von der Gründerin Geld haben, bevor das Geschäft überhaupt eröffnet war. Und nachdem alle Anfangsinvestionen getätigt sind, gehen nach zwei Jahren schon wieder die ersten Sachen kaputt, wenn man Pech hat, und man muss sie wieder neu anschaffen. So geschehen mit der teuren, geeichten Waage.
„Ich habe viele Kosten am Anfang unterschätzt oder gar nicht berücksichtigt, unter anderem auch meine Arbeitszeit für die Einrichtung des Ladens.“ Denn nachdem sie ihren Job gekündigt hatte, musste sie erstmal drei Monate lang Aufbauarbeit leisten und bekam in dieser Zeit natürlich keinen regelmäßigen Lohn mehr – die Finanzpolster waren dadurch schnell zusammengeschrumpft. „Wenn ich noch mal vor der Entscheidung stünde, einen Laden zu eröffnen, würde ich Angestellte bleiben“, sagt Dittberner rückblickend, „es macht mir viel Spaß und ich genieße es, aber es ist betriebswirtschaftlich betrachtet ein Irrsinn. Es ist ein großer Luxus, jeden Monat das gleiche Geld zu haben und mir keine Gedanken machen zu müssen, wenn ich mal krank bin.“
Das Naschhaus hat einen eigenen Onlineshop
Zum Offline-Geschäft gehört auch ein Onlineshop, der in vielen anstrengenden Nachtschichten fertig gestellt wurde. „Wir haben ihn dann endlich „live“ geschaltet, saßen gespannt vor dem Bildschirm und warteten auf die erste Bestellung“, erinnert sich Dittberner, aber es kam keine: nicht in den ersten Stunden, nciht am Folgetag, nicht einmal in der ersten Woche. Erst nach der zweiten Woche verirrten sich die ersten Besucher auf die Seite und nach und nach gingen die ersten Bestellungen ein. „Heute weiß ich, dass es eine Weile dauert, bis so ein Shop überhaupt im Netz gefunden wird“, sagt Dittberner.
Viel Suchmaschinenoptimierung ist dafür erforderlich und auch Werbung bei Google Adwords. Rund 20% ihrer Einnahmen gehen für Google-Anzeigen drauf. „Es ist total wichtig, bei Google Shopping gelistet zu sein“, sagt sie, „aber dazu muss man viele komplizierte Vorgaben berücksichtigen.“ Gerade bei einem Onlineshop sind auch die strikte Einhaltung von Wettbewerbsrecht und Datenschutz sowie korrekte AGB von großer Bedeutung. „Man muss sich um sehr viele Detailfragen kümmern, die viel Zeit kosten, und häufig Rechtsberatung einholen“, sagt Dittberner.
Bei Onlinebestellungen entfallen die Versandgebühren ab einem Mindestbestellwert von 29,00 € und in dieser Größenordnung liegt auch der durchschnittliche Bestellwert. Die Margen der Süßigkeiten im Onlineshop sind schon jetzt gering. „Wir müssen beim Preis die großen Onlinehändler unterbieten, weil die im Zweifel das größere Sortiment haben.“ Über Plattformen wie Amazon, Ebay oder Rakuten zu verkaufen, lohnt sich deshalb gar nicht – die wollen zu viele Prozente abhaben. Um alle Bestellungen aus dem Onlineshop zu bearbeiten, benötigt sie im Durchschnitt vier Stunden pro Arbeitstag.
Haltbarkeit: Zu gut, um es wegzuwerfen
Um Süßigkeiten mit kleinen Fehlern und kurzer Haltbarkeit nicht wegwerfen zu müssen, macht Dittberner bei „To good to go“ mit und bietet über die App Tüten mit Süßigkeiten im Wert von mindestens 10,00 € für 3,50 € an. Die Gummibärchen sind dann etwas hart, Lollies vielleicht zerbrochen, die Schokoladen können abgelaufen sein, sind aber nicht verdorben. Von den 3,50 Euro geht 1,00 € an „To Good to go“ und 2,50 € an den Händler.
Vorher hatte sie andere Wege ausprobiert wie die Tafeln, aber für die sind ihre Mengen zu gering und es erfordert Logistik, die Waren zu transportieren. Bei „To good to go“ holen sich die Kunden ihre Tütchen im Laden selbst ab und kaufen auch kleinere Mengen. 95% der App-Nutzer haben das Naschhaus mit 4 oder mehr Sternen bewertet – das spricht dafür, dass die Tüten gut gefüllt sind!
Über das Schwedische Naschhaus in Berlin
- Schreinerstraße 15, 10247 Berlin-Friedrichshain
- Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 11-18 Uhr, Samstag und Sonntag: 12 bis 18 Uhr
- naschhaus.de
Im Berliner Naschhaus gibt es skandinavische Süßigkeiten unter anderem folgender Marken: Bubs, Candy People, Cloetta, Fazer, Estrella, Grahns, Malaco, Marabou, OLW, Tom’s, VegoBears.
Übrigens: Analog zum Süßigkeitensamstag gibt es in Schweden auch das Freitagskuscheln „fredagsmys“ – angesagt: es sich gemütlich machen mit gutem Essen und TV, dazu gern Kartoffelchips…
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