
Schmecken will gelernt sein! Vor allem in der Kindheit wird der Geschmackssinn geprägt. Was uns gefällt oder missfällt ist abhängig von individuellen Vorlieben, aber auch vom kulturellen Umfeld. Interessant finde ich, wie sich dieser Geschmackssinn im Laufe der Zeit – kulturell und technologisch bedingt – verändert, internationalisiert und mit Begriffen, Farben und Konsistenzen verbindet. Besonders sichtbar wird es bei zeitgenössischen Bündeln aus Aroma, Farbe und sensorischen Eigenschaften, für die ein eigener Name gefunden wurde.
Zum Beispiel hätte vor 20 oder 30 Jahren niemand gewusst, was er sich unter den Geschmacksrichtungen Energydrink oder Schlumpf vorstellen sollte. Zu letzterem könnte heute jedes Kind sofort die passenden Adjektive liefern. Ein nicht mehr taufrisches, aber immer noch sehr beliebtes und zeitgemäßes Aromenbouquet ist übrigens „Cola„, das sich im wesentlichen zusammensetzt aus Limette, Vanille und würzigen Subnoten wie Zimt.
Ältere „Geschmacksmuster„, etwa aus den Wirtschaftswunderjahren, sind inzwischen weitgehend aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwunden, so zum Beispiel „Mokka“ (das in den USA mit leicht abweichender Bedeutung weiter existiert) oder „Tuttifrutti“ (zu deutsch: Mehrfrucht), das uns einst als Eiskrem aus Italien erreichte.
Auf der Suche nach dem originalen Bubble Gum Geschmack muss die Expertin helfen
Eine Geschmacksrichtung fasziniert mich allerdings ganz besonders: Bubble Gum! Die ist hierzulande nicht besonders weit verbreitet, aber man findet sie immer mal wieder hier und dort. Mein letzter Fund war eine Tüte mit blau- und rosafarbenen Brauseflaschen aus Fruchtgummi von Ahoj/Katjes. Die Fläschchen haben mir so extrem gut geschmeckt, dass ich dazu augenblicklich einen Experten kontaktieren musste, um ihn zu fragen: Was macht diesen Geschmack so einzigartig?!

Und an wen wendet sich ein unbedeutender, deutscher Candy-Blogger, wenn es um die Bestimmung einer krass leckeren Geschmacksrichtung geht und der Produzent von Ahoj-Brause keine Auskunft gibt? Natürlich an einen der größten Aromen-Hersteller der Welt, dessen Zentrale sich bekanntermaßen im niedersächsischen Holzminden befindet: Symrise!
Susanne Spiller, zum Zeitpunkt meiner Anfrage Category Development Director für Süßwaren bei Symrise, nahm sich meiner an. Als erstes erklärte sie mir, welches die „Big Five„, die fünf Top-Geschmacksrichtungen bei Süßigkeiten sind:
- Erdbeere
- Orange
- Himbeere
- Zitrone
- Apfel.
Darauf folgen die Aromen Cola, Kirsche, Banane, schwarze Johannisbeere, Pfirsich und – ganz wichtig – Melone. Denn zunehmend gewönnen auch tropischen Richtungen wie Mango und Ananas an Bedeutung. Bananengeschmack ist neben Orange und Pfirsich auch Bestandteil des (deutschen) Tuttifrutti-Aromas. Und in einer weiteren Süßigkeit dominiert sogar Bananengeschmack, obwohl es keiner vermuten würde: Gletschereis–Bonbons!
Sie setzen sich zusammen aus Banane, Birne und Menthol für den frischen Geschmack. Aber weil sie in der Regel blau und transparent sind, errät kaum jemand diese Aromenkombination und erschmeckt sie auch nicht. Inzwischen ist Gletschereis auch eine eigene, international genormte Geschmacksrichtung namens „Ice Candy„.
Süßigkeiten mit Tutti Frutti-Geschmack
In deutschen Süßigkeiten verbirgt sich hinter der Bezeichnung „Bubble Gum“ leider meistens nur Tuttifrutti: ein schwer zu definierendes Gemisch verschiedener Fruchtaromen aus Beeren, Äpfeln, Bananen und Zitrusfrüchten. Für mich ist dieser deutsche Bubble Gum-Geschmack langweilig, enttäuschend, ja, ärgerlich!
Die Zutat beim amerikanischen Bubble Gum-Geschmack heißt Wintergreen
Susanne Spiller hat meine Probe zusammen mit Experten sensorisch evaluiert und zusätzlich die amerikanischen Kollegen konsultiert. Vor der geschmacklichen Einordnung der Brausefläschchen muss man allerdings folgende Grundlagen über den Bubble Bum-Geschmack kennen: Es gibt einen zentralen Wegbereiter für dieses Aroma, und das ist – naheliegenderweise – ein Kaugummi: Bazooka, das seit 1947 von dem Brooklyner Unternehmen Topps Chewing Gum* verkauft wird.
Das Bazooka-Kaugummi ist benannt nach dem gleichnamigen Musikinstrument, das der Komiker Bob Burns kurz zuvor erfunden hatte. Das Kaugummi ist bis heute rosarot gefärbt und schmeckt intensiv süß und nach einem Heidekrautgewächs, das auch als Wintergrün bezeichnet wird. Das für manche Zungen nach Medizin schmeckende Wintergrünextrakt ist auch die bestimmende Zutat eines weiteren bedeutenden amerikanischen Lebensmittelklassikers: Root Beer.
In Deutschland hat man den originalen Bubble Gum-Geschmack nur im Bazooka-Kaugummi bekommen, das bis Ende der 1980er Jahre von Storck in Lizenz hergestellt wurde. Dabei befürchte ich, dass sich Storck schon damals nicht zu 100% an das Originalrezept gehalten hat… Das aktuell zu kaufende Bazooka-Kaugummi jedenfalls schmeckt nicht (mehr) nach Wintergrün. Wer das liebt, kann zum Beispiel das Konkurrenzprodukt „Dubble Bubble“ greifen, genau gesagt zu dessen Retro-Edition „Original 1928 Flavor„.
Grape Concord ist das geheimnisvolle Aroma der Ahoj-Brauseflaschen!
Die sind weder das eine (US-Bubble Gum), noch das andere (deutsches Pseudo-Bubble Gum a.k.a Tuttifrutti), sondern wieder etwas anderes! Das Geschmacksprofil der Ahoj-Brauseflaschen beschreibt die Expertin so: „sauer (durch die zugesetzten Säuren in der Rezeptur), fruchtig, citrisch (Orange) und Weintraube Typ Grape Concord.“ Sie haben also kein Wintergrün (bzw. sein synthetisiertes Äquivalent) gefunden, sondern ein hierzulande kaum gebräuchliches Aroma, die Trauben der Rebsorte „Grape Concord“. Diese zeichnet sich durch die beherrschende, künstlich anmutende Geschmacks- und Geruchsnote nach Walderdbeeren, Himbeeren und Sanddorn aus – den „Fuchston„, wie Winzer und Sommeliers ihn abwertend nennen, da er in Europa unerwünscht ist. In den USA und Asien findet man Grape Concord in vielen Süßigkeiten; sogar ein Traubengelee als Brotaufstrich wird daraus angeboten.
Und zum Schluss die schlechte Nachricht: Katjes hat mir mitgeteilt, dass die Brausefläschchen Bubble Gum nicht mehr produziert werden! Ob das allerdings auch für den Hersteller Lutti gilt, der zu Katjes gehört und dieselben Fläschchen verkauft, ist nicht klar.
Expertinnentipp Cross-Category-Inspiration
Wer nach Geschmacksinnovationen für den Süßwarenbereich sucht, sollte sich die Neuentwicklung bei Erfrischungsgetränken genau ansehen, rät Susanne Spiller. Der Innovationstreiber sei definitiv das Segment der alkoholfreien Getränke, an denen sich Dairy und Süßwaren häufig orientierten. Ich möchte aus meiner Sicht ergänzen, dass sich auch die folgenden Produktgruppen prinzipiell experimentierfreudig sind, was neue Aromatrends angeht: Teemischungen, Liköre, Duschgels und Raumdüfte.
Süßigkeiten mit Bubble Gum-Aroma á la Grape Concord
Süßwaren mit der allgemeinen Sortenbezeichnung Bubble Gum
Und noch eine Restkategorie: Süßwaren mit Bubble Gum-Aroma, bei denen ich nicht bestimmen kann, welche Art von Aroma sie enthalten. Kaugummi zum Blasenmachen – Bubble Gum quasi als Funktionsbezeichnung – soll hier aber nicht enthalten sein. Auch gibt es noch eine Variante bei den Kaugummis von Wrigley, bei der ich unsicher bin: Bubble Mint. naja, ich nehme es mal hier auf – ist aber wieder nur Tuttifrutti-like.


*Der Vorläufer von der 1938 gegründeten Topps Chewing Gum war die American Leaf Tobacco, Ende des 19. Jahrhunderts vom russischen Einwanderer Morris Shorin, ursprünglich Chigorinsky, geführt. Als in Folge des 1. Weltkriegs der Zugang zu türkischem Tabak verloren ging und in Folge der Depression das Geschäft immer schwieriger wurde, stellte Familie Shorin die Produktion auf das damals noch recht neue Produkt Kaugummi um. Richtig erfolgreich wurde dieses durch die Zugabe von Baselball-Sammelkarten und kleiner Comics mit der Figur des Bazooka Joe ab dem Jahr 1953.
Übrigens gibt es auch ein tolles Produkt außerhalb der Süßwarenwelt, das ein klasse Bubblegum-Aroma hat: Das Haarwachs Bed Head von Tigi! Schön sämig-zäh, knallhimmelblau und lecker nach Bubblegum duftend!

Übrigens habe ich auch schon über andere populäre Geschmacksrichtungen und Aromen geschrieben wie Waldmeister, Sour Cream & Onion, Salted Caramel oder Blue Raspberry.
Schöner Artikel.
Ich liebe dieses Bubble Gum Aroma, aber viele schmecken einfach nicht danach.
Meine Favoriten sind bisher von „4Bro“ der IceTea BubbleGum.
Heute hab ich bei Rewe ein Amerikanisches Getränk entdeckt „Candy Can“ auch Geschmacksrichtung „BubbleGum“ da hab ich mehr Süßé als das übliche Bubble Gum Aroma geschmeckt. Hat mich auch nicht wirklich angetan.‘
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Ich weiß noch früher gab es glaub von Katjes so Energie Gums in so einer glitzernen Tüte, waren sehr lecker und dann auf einmal waren die weg.
Zwar kein Bubble Gum aber sowas Richtung Bubble Gum Geschmack als Fruchtgummi würde mir auch gefallen.
Problem ist das ich immer so stärkeren Geschmack bevorzuge, bei Fruchtgummi oft das Problem das milde Aromen mich nicht richtig glücklich machen und ich das gelatine zeugs mehr rausschmecke.